Quelle: Vatican News
Papst Franziskus hat im Rahmen seiner Reise nach Griechenland und Zypern vom 2. bis 6. Dezember auch das Flüchtlingslager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos besucht – und dadurch das Leid der Menschen dort wenigstens für kurze Zeit in den Lichtkegel des öffentlichen Interesses gerückt. Wir dokumentieren hier Auszüge aus seiner Rede:
"Die Zukunft wird zu noch engeren zwischenmenschlichen Kontakten führen. Für eine Wendung zum Guten braucht es keine unilateralen Aktionen, sondern eine weitreichende Politik. Ich wiederhole: Die Geschichte lehrt uns das, aber wir haben es noch nicht gelernt. Man darf der Wirklichkeit nicht den Rücken kehren, die ständige Abwälzung von Verantwortung muss aufhören, und die Migrationsfrage darf nicht immer an andere delegiert werden, so als beträfe es niemanden und als sei sie nur eine nutzlose Last, die jemand zu übernehmen gezwungen ist!
"Lasst uns die vorherrschende Meinung, die sich um das eigene Ich dreht und um die eigenen, persönlichen und nationalen Egoismen, die Maß und Kriterium aller Dinge werden, an der Wurzel bekämpfen."
Lasst uns die lähmende Angst überwinden, die todbringende Gleichgültigkeit, das zynische Desinteresse, das in Samthandschuhen die am Rand Stehenden zum Tode verurteilt! Lasst uns die vorherrschende Meinung, die sich um das eigene Ich dreht und um die eigenen, persönlichen und nationalen Egoismen, die Maß und Kriterium aller Dinge werden, an der Wurzel bekämpfen.
Wie viele Hotspots, wo Migranten und Flüchtlinge unter grenzwertigen Umständen leben, ohne dass sich am Horizont eine Lösung abzeichnet! Dabei sollte die Achtung des Menschen und der Menschenrechte immer gewahrt werden, vor allem auf dem Kontinent, der sie weltweit propagiert, und die Würde jedes Menschen sollte allem anderen vorangestellt werden! Es ist traurig, wenn als Lösung vorgeschlagen wird, mit gemeinsamen Ressourcen Mauern zu bauen, Stacheldraht zu bauen. Wir sind in einer Zeit von Mauern und Stacheldraht. (…) Aber es ist nicht durch eine Verstärkung der Zäune, dass sich die Probleme lösen lassen und sich das Zusammenleben verbessern lässt.
"Es ist leicht, die öffentliche Meinung mitzureißen, indem man ihr Angst vor den Anderen einflößt."
Es ist leicht, die öffentliche Meinung mitzureißen, indem man ihr Angst vor den Anderen einflößt; warum spricht man nicht in demselben Ton von der Ausbeutung der Armen, von den vergessenen und oft großzügig finanzierten Kriegen, von den auf dem Rücken anderer Menschen abgeschlossenen wirtschaftlichen Pakte, von den heimlichen Manövern des Waffenhandels und der Proliferation von Waffen? Warum spricht man nicht davon? Die zugrundeliegenden Ursachen müssen angegangen werden, nicht die armen Menschen, die die Folgen zu tragen haben und sogar für politische Propaganda missbraucht werden!
"Das Mittelmeer hat Jahrtausende lang unterschiedliche Völker und weit voneinander entfernte Länder miteinander verbunden; jetzt wird es gerade zu einem kalten Friedhof ohne Grabsteine."
Wenn wir neu anfangen wollen, sollten wir vor allem in die Gesichter der Kinder schauen. Lasst uns den Mut finden, uns vor ihnen, die unschuldig sind und die Zukunft bedeuten, zu schämen. Sie hinterfragen unser Gewissen und fragen uns: ‚Welche Welt wollt ihr uns geben‘“ Lasst uns nicht eilig Reißaus nehmen vor den brutalen Bildern ihrer kleinen Körper, die regungslos am Strand liegen. Das Mittelmeer hat Jahrtausende lang unterschiedliche Völker und weit voneinander entfernte Länder miteinander verbunden; jetzt wird es gerade zu einem kalten Friedhof ohne Grabsteine. Dieses große Wasserbecken, diese Wiege zahlreicher Zivilisationen erscheint nun als Spiegel des Todes. Lassen wir nicht zu, dass das Mare Nostrum [Unser Meer] sich in ein trostloses Mare Mortuum [Meer der Toten] verwandelt, dass dieser Ort der Begegnung zum Schauplatz von Auseinandersetzungen wird! Lassen wir nicht zu, dass dieses ‚Meer der Erinnerungen‘ zu einem ‚Meer des Vergessens‘ mutiert! Liebe Brüder und Schwestern, ich bitte euch, lasst uns diesen Schiffbruch der Zivilisation stoppen!“
Der vollständige Text der Rede ist HIER zu finden.