Veranstaltungen und Aktionen in 760 Orten – Politischer Gegenwind und Hetze von Rechts erschweren das Engagement
Frankfurt am Main. Die Interkulturelle Woche (IKW) 2025 war ein voller Erfolg – und ist derzeit vielleicht so wichtig wie nie. Im Aktionszeitraum im September und Oktober fanden unter dem Motto "dafür!" in 760 Städten, Gemeinden und Landkreisen tau-sende Veranstaltungen statt. Damit wurde der Rekordwert aus dem vergangenen Jahr noch einmal übertroffen. Die Verantwortlichen beim Ökumenischen Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche (ÖVA) freuen sich über diese Entwicklung – und äußern gleichzeitig ihre Sorge über zunehmend polarisierende Diskurse sowie politischen Gegenwind, der das Engagement vor Ort zunehmend erschwert.
Keine Interkulturelle Woche ohne das Engagement vor Ort
ÖVA-Vorsitzende Dr. Beate Sträter: "Wir bedanken uns bei den vielen haupt- und ehrenamtlichen Veranstaltenden und Koordinierenden im ganzen Land, ohne deren Engagement es die Interkulturelle Woche nicht geben würde. Sie schaffen Räume für Dialog, Begegnung, den Abbau von Vorurteilen, für gegenseitiges Verständnis und den Spaß, den wir miteinander haben. Und natürlich, um die Probleme zu diskutieren, die in einer Vielfaltsgesellschaft auftreten – aber auf Augenhöhe und lösungsorientiert."
Die große Stärke der IKW ist die große Bandbreite ihrer Veranstaltungsformen: Vom gemeinsamen Kochen über interkulturelle Feste, Filmgespräche, Lesungen, Gottesdienste, Musik-, Comedy- und Theaterdarbietungen bis hin zu Demonstrationen, politischen Diskussionen, Vorträgen und Workshops reicht das Programm. Die Themen decken dabei wichtige Bereiche der Vielfaltsgesellschaft ab: Demokratie, Menschenrechte, Flucht, Asyl, Integration, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Diskriminierung oder Rechtsextremismus. Die IKW ist damit die größte zivilgesellschaftliche Initiative in Deutschland in diesem Bereich.
Wer sich für Vielfalt einsetzt, spürt zunehmend Gegenwind
Was die Veranstaltenden aber zunehmend spüren ist ein politischer Gegenwind, der ihr Engagement erschwert. So wurde etwa in einem Landkreis in Sachsen zunächst im vergangenen Jahr die Stelle des Ausländerbeauftragten gestrichen; 2025 zog sich der Landkreis dann von der Koordination der IKW zurück, weil keine personellen Ressourcen vorhanden seien.
ÖVA-Vorsitzende Beate Sträter: „Die Streichung von Stellen und die Kürzung von Fördergeldern sind nicht nur bürokratische Hürden – sie sind ein gezielter Aushöhlungsprozess, der die fundamentale Basis der Interkulturellen Woche gefährdet. Die Organisierenden stehen vor der existenzbedrohenden Frage, ob sie ihre Arbeit angesichts systematisch entzogener Ressourcen und zunehmender Anfeindung überhaupt noch dauerhaft aufrechterhalten können."
Auch die zunehmende Polarisierung und enthemmte hetzerische Kampagnen wirken sich auf die IKW aus. So musste in Regensburg der Vortrag eines Schwarzen BR-Rundfunkrates aus Sicherheitsgründen abgesagt werden. Er hatte sich kurz vor dem Termin kritisch zur Moderatorin Julia Ruhs geäußert und die Entscheidung des NDR gelobt, die Zusammenarbeit mit ihr zu beenden. Anschließend sah sich der Referent einer rassistischen Hetzkampagne durch Rechtsaußen-Portale und AfD-Politiker ausgesetzt und erhielt auch persönliche Drohungen auf sein Handy, sodass sein Vortrag – der nichts mit der Causa Ruhs zu tun hatte – nicht stattfinden konnte.
ÖVA-Geschäftsführerin Antonia Rösner: "Wir stellen fest, dass bestimmte – auch politische – Kreise systematisch versuchen, Strukturen abzubauen und zu bekämpfen, die sich für Vielfalt einsetzen. Zum Teil werden auch Fördergelder und Ko-Finanzierungen gestrichen. Diese Entwicklung beobachten wir mit Sorge und fordern alle Verantwortlichen auf, solchen Tendenzen entgegenzuwirken. Gerade in einer solchen Zeit, in der das 'Anderssein' öffentlich zum Störfaktor erklärt wird, ist die Interkul-turelle Woche mit ihrem Ansatz der Begegnung auf Augenhöhe vielleicht so wichtig wie nie."
Der politische Gegenwind führe dazu, dass wichtige gesellschaftliche Räume für den Dialog geschlossen werden. Rösner weiter: "Wo sich Landkreise wie in Sachsen von der IKW zurückziehen, entstehen Leerstellen, die von rechtspopulistischen Narrativen gefüllt werden. Die zunehmende Polarisierung ist kein abstrakter Begriff; sie zementiert Spaltung und verhindert die dringend notwendige Begegnung auf Augenhöhe. Die IKW-Organisierenden stehen damit nicht nur unter Druck, sie verteidigen die letzten Bastionen des zivilen, respektvollen Miteinanders gegen einen wachsenden Trend zur gesellschaftlichen Abschottung."
In den beiden genannten Fällen zeigte sich aber auch die Stärke der Zivilgesellschaft: Im sächsischen Landkreis fand eine IKW statt, die von einer ehrenamtlichen Initiative organisiert wurde (mit ausnehmend politischem Inhalt), und in Regensburg hielt der Rundfunkrat Anfang Oktober einen ebenfalls bereits geplanten Vortrag bei einer anderen Veranstaltung.
Auch deshalb fällt die Bilanz der Interkulturellen Woche 2025 insgesamt positiv aus – zumal im Mai bereits das 50-jährige Bestehen der Initiative groß mit einem Gottesdienst und einem Festakt in Berlin gefeiert wurde. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobte damals in seiner Rede ebenfalls die vielen Engagierten vor Ort und sagte den wichtigen Satz: "Deutschland ist ein Land mit Migrationshintergrund. Ein Deutschland ohne Einwanderer wäre zweifellos ein ärmeres Land."
Auch 2026 lautet das IKW-Motto "dafür!" – Vorbereitungstagung im Februar
Einige Interkulturellen Wochen laufen derzeit sogar noch – dennoch richtet sich der Blick bereits auf die Aktionswoche 2026, deren vorgeschlagener Zeitraum vom 27. September bis zum 4. Oktober dauert. Das Motto wird wieder "dafür!" lauten; traditionell werden die Slogans immer über zwei Jahre genutzt.
Der erste wichtige Termin des kommenden Jahres ist die bundesweite Vorbereitungstagung, die 2026 am 20. und 21. Februar in der Evangelischen Akademie in Frankfurt/Main stattfinden wird. Die Tagung soll den Organisierenden der vielen lokalen und regionalen Interkulturellen Wochen in ganz Deutschland thematischen Input liefern und damit die Möglichkeit, sich mit den Inhalten und Zielen der IKW auseinanderzusetzen. Auch wird es Angebote zur Vernetzung geben. Die Anmeldung wird ab Dezember möglich sein.
Hintergrund
Die bundesweite Interkulturelle Woche (IKW) findet seit 1975 immer Ende September statt. Sie wird unterstützt und mitgetragen von Kirchen, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Integrationsbeiräten und -beauftragten, Vereinen, Bildungsträger*innen, Migrant*innenorganisationen, Religionsgemeinschaften und Initiativgruppen. In über 750 Städten und Gemeinden werden rund 6.000 Veranstaltungen durchgeführt. Der Tag des Flüchtlings ist Bestandteil der Aktionswoche. Die IKW ist eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Griechisch-Orthodoxen Metropolie.
Weitere Informationen: www.interkulturellewoche.de