Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung
Die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist demokratisch eingestellt und äußert Sorgen wegen des zunehmenden Rechtsextremismus. Das zeigt die Mitte-Studie 2024/25 – "Die angespannte Mitte" – der Friedrich-Ebert-Stiftung. Gleichzeitig ist jedoch in der Mitte der Gesellschaft eine Normalisierung bezüglich antidemokratischer und menschenfeindlicher Aussagen zu beobachten.
Gut drei Viertel der Menschen in Deutschland (76,1 Prozent) lehnen rechtsextreme Einstellungen ab. 3,3 Prozent der Bevölkerung haben ein rechtsextremes Weltbild. 19,8 Prozent stimmen nationalchauvinistischen Aussagen zu. So meint beispielsweise ein Viertel: "Was Deutschland jetzt braucht ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert."
Misstrauen in das Funktionieren der Demokratie nimmt zu
Die Demokratie im Allgemeinen genießt weiterhin eine große Zustimmung. Doch das Misstrauen in die Demokratie wächst. 21,5 Prozent haben kein Vertrauen in die demokratischen Institutionen. 18,2 Prozent fehlt das Vertrauen in demokratische Wahlen. Das sind dreimal so viel wie vor vier Jahren. Nur noch knapp mehr als die Hälfte (52,0 Prozent) der Befragten stimmt der Aussage zu "Die deutsche Demokratie funktioniert im Großen und Ganzen ganz gut."
Normalisierung von demokratiefeindlichen Einstellungen
Der Zweifel an der Demokratie geht mit Einstellungen einher, die dem liberalen Geist des Grundgesetzes widersprechen: Zwar meinen 87,7 Prozent, in einer Demokratie solle die Würde und Gleichheit aller an erster Stelle stehen. Zugleich ist ein Drittel (34,1 Prozent) der Ansicht "Im nationalen Interesse können wir nicht allen die gleichen Rechte gewähren". Ein Viertel (25,3 Prozent) meint, es werde zu viel Rücksicht auf Minderheiten genommen, mehr als jeder Zehnte (10,8 Prozent) lehnt es ab, die Grundrechte von Minderheiten zu schützen.
Rechtsextreme Einstellungen haben längst ihren Weg in die breite öffentliche Debatte gefunden, es kommt zu Gewöhnungseffekten und Normalisierung: So teilt je etwa ein Drittel abwertende Einstellungen gegenüber Asylsuchenden (30,2 Prozent) und Langzeitarbeitslosen (36,1 Prozent). Antisemitische Einstellungen in ihren unterschiedlichen Dimensionen sind in der Gesellschaft weit verbreitet. So stimmen beispielsweise 17,0 Prozent israelbezogenem Antisemitismus eher oder ganz zu, weitere 22,4 Prozent stimmen teils/teils zu.
Aktives Handeln gegen den Rechtsextremismus gefordert
Das Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Andreas Zick von der Universität Bielefeld hat auch Potenziale zum Umgang mit Rechtsextremismus ermittelt. Jede:r zweite Befragte ist bereit, selbst etwas gegen Rechtsextremismus zu tun, weitere 25 Prozent stimmen dem teils/teils zu. 61 Prozent fordern mehr politische Bildung gegen Rechtsextremismus, weitere 23 Prozent stimmen dem teils/teils zu.
Martin Schulz: Politik muss klar dagegenhalten
"Die Mitte-Studie zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Gesellschaft sich klar zur Demokratie bekennt und besorgt darüber ist, dass Populisten und Rechtsextreme unsere Demokratie angreifen und zerstören wollen. Gleichzeitig sehen wir in der Studie aber auch eine Skepsis bei den Menschen, ob Politikerinnen und Politiker und die demokratischen Institutionen die großen Probleme unserer Zeit wirklich lösen können. Die Studie zeigt auf, dass die antidemokratische und menschenfeindliche Stimmungsmache von Rechtspopulisten sich langsam in die Mitte der Gesellschaft hineinfrisst. Die Aufgabe für diejenigen, die politische Verantwortung tragen und auch für die Zivilgesellschaft ist da sehr klar: Gegenhalten! Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, von lokaler über Länderebene bis hin zur Bundesregierung und darüber hinaus müssen zeigen, dass sie mit den Mitteln der Demokratie die bestehenden Herausforderungen meistern und das Alltagsleben der Menschen spürbar verbessern können. Das bedeutet ganz konkret: dafür zu sorgen, dass beispielsweise die Kommunen so gut ausgestattet sind, dass sie für die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen sorgen können. Das bedeutet auch, dass ein starker Sozialstaat geradezu ein Schutz für unsere Demokratie ist – denn wir brauchen beste Bildung und gute Infrastruktur für alle, gerade auch für die Kinder aus weniger wohlhabenden Familien. Nicht zuletzt gilt es, politische Bildung zu fördern und Menschen, die sich ehrenamtlich für die Gesellschaft engagieren zu unterstützen und zu schützen", so Martin Schulz, der Vorsitzende der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Hintergrund
Die repräsentativen Mitte-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung geben Auskunft über die Verbreitung, Entwicklung und Hintergründe rechtsextremer, menschenfeindlicher und antidemokratischer Einstellungen in Deutschland. Seit 2006 gibt die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) etwa alle zwei Jahre eine neue Ausgabe der "FES-Mitte-Studie" heraus.