Quelle: RIAS
Der Bundesverband RIAS hat in einer bundesweiten Studie erstmals mehr als 2.000 antisemitische Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund ausgewertet. Die Ergebnisse belegen eine hohe Affinität zu Gewalt bei rechtsextremen Akteuren. Die Studie zeigt auch: Antisemitismus ist in der AfD tief verankert.
Studie zeigt Kontinuität des rechtsextremen Antisemitismus
Die Studie beleuchtet die zentrale Rolle rechtsextremer Narrative und Akteure für Antisemitismus in Deutschland auf. Die Zahl rechtsextremer antisemitischer Vorfälle bleibt im Jahresvergleich konstant hoch. Antisemitismus ist integraler Bestandteil rechtsextremer Spektren – sowohl in codierter als auch in offener Form. Kernmerkmale sind die Abwehr der Erinnerung an die Schoa, die Verherrlichung des Nationalsozialismus, Verschwörungsmythen sowie Drohungen und Angriffe gegen Jüdinnen:Juden und politische Gegner:innen.
Rechtsextremer Antisemitismus ist besonders gewaltvoll
Zwischen 2019 bis 2023 dokumentierte der Bundesverband RIAS sechs Vorfälle extremer Gewalt und 34 Angriffe. Besonders gefährdet sind jüdische Einrichtungen, wie der Anschlag auf die Synagoge in Halle im Jahr 2019 zeigt. Antisemitische Gewalttaten werden zudem im rechtsextremen Spektrum immer wieder glorifiziert. Auch in alltäglichen Begegnungen – etwa im Nahverkehr oder der Nachbarschaft – werden Jüdinnen:Juden angegriffen oder bedroht. Häufig werden Gedenkstätten und -zeichen sowie Synagogen und Einrichtungen jüdischer Gemeinden durch Rechtsextreme gezielt beschädigt.
Normalisierung antisemitischer Inhalte durch AfD befördert
Rechtsextreme antisemitische Narrative finden zunehmend Zustimmung in der Bevölkerung. Diese Normalisierung zeigt sich auf Versammlungen und wird bestätigt durch Einstellungsstudien und in den Wahlerfolgen der AfD. Antisemitische Inhalte – von Erinnerungsabwehr über Relativierungen der Schoa bis hin zu Verschwörungsmythen – werden regelmäßig von AfD-Politikerinnen und Politiker geäußert. Auch anlässlich der Massaker des 7. Oktobers 2023 äußerten Funktionäre der AfD sich antisemitisch. Auf europäischer Ebene kooperiert die AfD mit Parteien, für die antisemitische Aussagen dokumentiert sind. Zudem sind Funktionäre der Partei Teil von terroristischen Netzwerken, wie die Aufdeckung der "Sächsischen Separatisten" jüngst verdeutlichte.
Stimmen zur Veröffentlichung
Der rechtsterroristische Antisemitismus ist eine zentrale Bedrohung für Jüdinnen und Juden in Deutschland – und damit auch für unsere Demokratie. Rechtsextreme Narrative erfahren zunehmend bis in die Mitte der Gesellschaft Unterstützung. Angesichts der anstehenden Bundestagswahlen müssen demokratische Akteure die Gefahren, die vom Rechtsextremismus und insbesondere der AfD ausgehen, deutlich benennen und begründet zurückweisen." Benjamin Steinitz, Geschäftsführer des Bundesverbands RIAS
"Antisemitismus verbindet sehr unterschiedliche rechtsextreme Akteure miteinander: Von der Neuen Rechten über die AfD bis hin zu Fußballfans. Der Nationalsozialismus und die Schoa sind die zentralen Bezugspunkte für Rechtsextreme. Diese Bezugnahmen sind nicht widerspruchsfrei: Rechtsextreme inszenieren sich gleichzeitig als ‚die Juden von Heute‘ und relativieren so die Schoa, leugnen die Massenverbrechen der Nazis und drohen Jüdinnen und Juden zugleich ihre Wiederholung an. Das von RIAS beobachtete Ausmaß rechtsextremer antisemitischer Vorfälle blieb in den letzten Jahren, allen gesellschaftlichen Entwicklungen zum Trotz, relativ konstant." Daniel Poensgen, Ko-Autor und wissenschaftlicher Referent des Bundesverbands RIAS
"In Brandenburg, wo rechtsextreme Parteien bei Wahlen zuletzt starke Zuwächse verzeichneten, dürfen wir nicht wegsehen: Rechtsextremer Antisemitismus ist kein Randphänomen, sondern ein Angriff auf unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Der Kampf gegen diesen Hass braucht Konsequenz, Klarheit und eine breite gesellschaftliche Allianz. Diese Studie zeigt, dass wir dringend Maßnahmen gegen die Normalisierung von antisemitischen und verschwörungsideologischen Narrativen ergreifen müssen. Für jüdisches Leben in Deutschland bedeutet das: Schutz, Solidarität und ein klares Bekenntnis unserer Gesellschaft gegen jede Form des Antisemitismus." Andreas Büttner, Beauftragter für die Bekämpfung des Antisemitismus im Land Brandenburg
Stellungnahmen von Mitgliedern des Deutschen Bundestages zur Veröffentlichung
"Die Studie bestätigt: Weiterhin ist die Gefahr für Antisemitismus in der extremen Rechten am größten. Mit der AfD haben wir eine Partei in unseren Parlamenten, die sich nicht klar und wirksam von der rechten Szene abgrenzt. Mehr noch: Mit ihren Narrativen nährt sie systematisch antisemitische Ressentiments. Sie macht Antisemitismus salonfähig. Das aber darf in Deutschland nie wieder geschehen. Auch deshalb bin ich dafür, ein Verbot der AfD zu prüfen." Katrin Göring-Eckardt, MdB (Bündnis90/Die Grünen)
"Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus in Deutschland muss eine unbequeme Angelegenheit sein, wenn sie angesichts von wachsender Ausgrenzung und zunehmender Gewalt gegen Jüdinnen und Juden etwas bewirken soll. Das gilt gerade angesichts der deutschen Vergangenheit. Das gilt für den Antisemitismus von rechts, genau wie von links oder aus der Mitte unserer Gesellschaft. Es ist frappierend, dass Gruppen, die sich feindlich gegenüberstehen, häufig ausgerechnet beim Antisemitismus den kleinsten gemeinsamen Nenner finden." Konstantin Kuhle, MdB (FDP)
"Die AfD ist die wichtigste Organisation der extremen Rechten und sowohl für den gesellschaftlichen Antisemitismus als auch für den Rechtsterrorismus ein zentraler Akteur: Im Vergleich mit den demokratischen Parteien ist unter den Anhänger:innen der AfD Antisemitismus am weitesten verbreitet und in nahezu jedem rechtsterroristischen Komplex der letzten Jahre spielen AfD-Funktionäre eine Rolle. Beides für sich ist schon gefährlich, zusammen genommen ergibt sich das Bild einer Partei, die dringend gestoppt werden muss." Martina Renner, MdB (Die Linke)
"Wie offen Antisemitismus auch von Mitgliedern der AfD gelebt wird, erschreckt mich immer wieder tief. Auch, wie weit antisemitische Einstellungen mittlerweile in die Mitte der Gesellschaft reichen; nicht zuletzt, weil eine vorgeblich ‚demokratische‘ Partei das legitimiert. Eine Partei, die solch menschenverachtendes Gedankengut um sich schart, gibt jeden Anlass, ihre Verfassungsmäßigkeit anzuzweifeln. Diese prüfen zu lassen ist unsere Pflicht als Demokrat:innen." Maja Wallstein, MdB (SPD)
"Der RIAS-Bericht zeigt das erschreckende Ausmaß rechtsextremer antisemitischer Vorfälle auf und verdeutlicht dessen Dimensionen. Rechtsextremer Antisemitismus bleibt eine zentrale Gefahr, verbunden mit Gewaltbereitschaft, Verschwörungstheorien und Hasspropaganda. Besonders alarmierend ist die Verbreitung rechtsextremer antisemitischer Narrative auch in anderen politischen Milieus. Der Bericht ist ein eindringlicher Appell, entschlossen und gesamtgesellschaftlich gegen die Bedrohung durch Rechtsextremismus vorzugehen. Auch in der Prüfung eines Parteiverbots muss der Antisemitismus der AfD unbedingt Berücksichtigung finden." Marco Wanderwitz, MdB (CDU)