Quelle: Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA)
Jede zweite Person muslimischen Glaubens in der EU ist in ihrem Alltag mit Rassismus und Diskriminierung konfrontiert – diese Zahl ist seit 2016 stark gestiegen. Muslimische Frauen, Männer und Kinder werden dabei nicht nur wegen ihrer Religion zur Zielscheibe, sondern auch wegen ihrer Hautfarbe und ihres ethnischen Hintergrunds oder weil sie Migrant*innen sind. Besonders betroffen sind junge Muslime, die in der EU geboren sind, und Frauen, die religiöse Kleidung tragen. Dies sind einige der Ergebnisse des jüngsten Berichts der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA).
Der FRA-Bericht "Being Muslim in the EU" (Muslimisch sein in der EU) zeigt, dass Rassismus, Diskriminierung und Belästigung für viele in der EU lebende Muslime Alltagsrealität bleiben.
Der Bericht, der auf der Grundlage einer EU-weit durchgeführten Umfrage unter Zuwanderer:innen und deren Nachkommen von 2022 entstand, verzeichnet seit der vorigen Umfrage im Jahr 2016 einen Anstieg des antimuslimischen Rassismus, insbesondere auf dem Arbeits- und dem Wohnungsmarkt..
Bezogen auf die fünf Jahre vor der Erhebung lassen sich folgende zentralen Erkenntnisse festhalten:
- Rassismus – Nahezu die Hälfte der muslimischen Personen (47 %) erlebt rassistische Diskriminierung; 2016 waren es noch 39 %. Unter den 13 untersuchten Ländern waren die Quoten in Österreich (71 %), Deutschland (68 %) und Finnland (63 %) am höchsten.
- Arbeit – Am häufigsten werden Muslim:innen bei der Arbeitssuche oder am Arbeitsplatz diskriminiert (39 % bzw. 35 %); im Jahr 2016 lagen diese Werte noch bei 31 % bzw. 23 %. Dies hat auch Auswirkungen auf andere Lebensbereiche wie Wohnen, Bildung oder medizinische Versorgung. Darüber hinaus sind zwei von fünf Muslim:innen (41 %) für ihren Arbeitsplatz überqualifiziert, im Vergleich zu 22 % in der Erwerbsbevölkerung allgemein.
- Wohnen - Ein Drittel (35 %) der Befragten war aufgrund von Diskriminierung nicht in der Lage, ein Haus zu kaufen oder zu mieten; 2016 waren dies noch 22 %. Muslimische Befragte mit Behinderungen sind mit noch größeren Hindernissen konfrontiert; von ihnen erleben 46 % Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt.
- Religiöse Kleidung - Frauen, die sich religiös kleiden, werden stärker rassistisch diskriminiert als Frauen, die dies nicht tun, insbesondere bei der Arbeitssuche (45 % gegenüber 31 %). Bei jungen Frauen (zwischen 16 und 24 Jahren), die religiöse Kleidung tragen, liegt dieser Anteil sogar bei 58 %.
- Rassistische Belästigung – Fast jede/jeder dritte muslimische Befragte (27 %) wurde in den fünf Jahren vor der Umfrage rassistisch belästigt, die meisten von ihnen mehr als einmal.
- Diskriminierendes Profiling – Fast jede zweite Person (49 %), die im Jahr vor der Umfrage von der Polizei angehalten wurde, hatte den Eindruck, dass ihre letzte Kontrolle auf rassistischem Profiling beruhte.
- Bildung – Bei den muslimischen Befragten ist die Wahrscheinlichkeit, die Schule vorzeitig zu verlassen, dreimal so hoch wie bei der allgemeinen EU-Bevölkerung (30 % gegenüber 9,6 %).
- Armut – Ein Drittel (31 %) der Haushalte der muslimischen Befragten hat Mühe, finanziell über die Runden zu kommen, verglichen mit 19 % der Haushalte der Allgemeinbevölkerung. Die muslimischen Befragten leben auch doppelt so häufig in zu kleinen Wohnungen (40 % gegenüber 17 %).
Um Rassismus und Diskriminierung wirksam zu bekämpfen, fordert die FRA die EU und ihre Mitgliedstaaten auf,
- antimuslimischen Rassismus stärker in den Blick zu nehmen - Den EU-Aktionsplan gegen Rassismus über 2025 hinaus verlängern und Maßnahmen zur gezielten Bekämpfung von antimuslimischem Rassismus aufnehmen;
- Daten zu erheben - Daten zu allen Diskriminierungsgründen erheben, um eine bessere Politikgestaltung zu unterstützen und Richtwerte, Zielvorgaben und Indikatoren für die Überwachung zu entwickeln;
- Gesetze durchzusetzen – die Antidiskriminierungsgesetze sowie strengere Sanktionen für Diskriminierung und Hassverbrechen ordnungsgemäß durchsetzen;
- Gleichstellungsstellen mit den nötigen Mitteln auszustatten - die Richtlinien über verbindliche Standards für Gleichstellungsstellen umsetzen; Gleichstellungsstellen mit den notwendigen Befugnissen und Ressourcen ausstatten, damit sie wirksam und unabhängig gegen Diskriminierung vorgehen können;
- diskriminierendes Profiling zu bekämpfen – diskriminierende institutionelle Praktiken und Kulturen abschaffen, die zu unrechtmäßigem polizeilichem Profiling führen;
- Rassismus in allen Lebensbereichen zu bekämpfen – einschließlich gezielter Anstrengungen zur Bekämpfung von Rassismus in den Bereichen Bildung, Beschäftigung, Wohnen und medizinische Versorgung.
„Wir erleben derzeit in Europa einen besorgniserregenden Anstieg von Rassismus und Diskriminierung gegenüber muslimischen Menschen. Diese Stimmung wird durch Konflikte im Nahen Osten noch angeheizt und durch die entmenschlichende antimuslimische Rhetorik, die auf dem ganzen Kontinent zu beobachten ist, verschärft. Statt unsere Gesellschaften zu spalten, müssen wir dafür sorgen, dass sich alle Menschen in der EU unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrem Hintergrund oder ihrer Religion sicher, zugehörig und respektiert fühlen.“
Sirpa Rautio, FRA-Direktorin