Quelle: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung
Ein neuer Bericht des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) zeigt, wie wichtig nachhaltige und belastungsfähige Infrastrukturen für die bedarfsgerechte Aufnahme von Schutzsuchenden sind. Anhand von elf Städten und Gemeinden haben die Forschenden untersucht, welche zentralen Herausforderungen bestehen, und was getan werden muss, um diese bewältigen zu können und einen dauerhaften Mehrwert für das Gemeinwesen herzustellen.
Ob 2015/2016 als Folge des Bürgerkriegs in Syrien oder 2022 mit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine: Wenn Menschen gleichzeitig in Deutschland Schutz suchen, kommt es auf die Kommunen an. Sie nehmen auf, müssen die Grundversorgung sicherstellen und Bedingungen schaffen, unter denen Neuzugewanderte einen Platz in der Gesellschaft finden können. Dabei gab und gibt es immer wieder Kapazitätsengpässe.
In diesen "Stresstests" zeigt sich, wo Infrastrukturen stark und anpassungsfähig sind – wo es auf kommunaler Ebene also Resilienz gibt. Aber auch bereits bestehende Schwachstellen werden sichtbar. Was kann daraus für künftige ähnliche Situationen gelernt werden? Wie viel können Kommunen unter welchen Bedingungen leisten? Und welche Chancen ergeben sich für die Gesellschaft angesichts von Fachkräftemangel und demografischem Wandel?
Mit dem Forschungsbericht "Chancen statt 'Krise': Resiliente Kommunen im Kontext von Migration, Integration und Teilhabe" liefern Wissenschaftler:innen des DeZIM nun Antworten anhand der Beispiele von elf deutschen Städten und Gemeinden. Von Mai 2023 bis März 2024 haben sie dutzende Interviews sowie Hintergrundgespräche mit Vertreter:innen aus der Zivilgesellschaft und Expert:innen aus Behörden und Wissenschaft geführt, eine kommunale Dialogreihe zum Austausch zwischen den Kommunen sowie eine Abschlussveranstaltung durchgeführt.
Der Bericht umfasst Erfahrungen, Herausforderungen, gelungene Praxisbeispiele und Strategien der Kommunen. Er enthält außerdem Gelingensbedingungen für die Aufnahme und Integration von neu zugewanderten Menschen sowie Handlungsempfehlungen an die Politik. Hervorgegangen ist der Bericht aus dem DeZIM-Projekt "Nach der Krise ist vor der Krise: Resilienz der Kommunen angesichts der Herausforderungen der Flucht, Rückkehr und zirkulärer Migration". Er wurde von der Robert Bosch Stiftung gefördert.
Zentrale Ergebnisse
- Gute Strukturen für alle: Engpässe in den Bereichen Wohnen, Kinderbetreuung, Bildung und Gesundheitsversorgung erschweren die Ankunft von Neuzugewanderten, aber auch das Leben derer, die bereits da sind. Resiliente Integrationsarbeit braucht also nicht nur spezifische Angebote für Neuzugewanderte, sondern funktionierende soziale Infrastruktur für alle.
- Öffentliche Wahrnehmung: Um Menschen gut aufnehmen und integrieren zu können, ist eine positive Haltung gegenüber Migration und Integration Zugewanderter entscheidend. Diese sollte in der gesamten Gesellschaft, Politik und Verwaltung verankert werden – etwa vorbildhaft über Bürgermeister:innen und Landrät:innen.
- Gemeinsam agieren: Für kommunale Resilienz bedarf es ganzheitlicher Ansätze und enger Zusammenarbeit von Verwaltung und Zivilgesellschaft. So müssen besonders Migrant*innenorganisationen eingebunden werden, um belastbare Netzwerke für den Bedarfsfall zu schaffen.
Handlungsempfehlungen
für Bund und Länder
- faktenorientierten und lösungsorientierten Diskurs zu Flucht, Migration und Integration fördern
- Integration als dauerhafte, staatlich finanzierte Aufgabe anerkennen
- kommunale Perspektiven bei Entscheidungen stärker einbeziehen
für Kommunen
- die Chancen von Integration zur Gestaltung der Zukunft betonen, Potenziale stärken und nutzen
- die Effizienz kommunaler Integrationsarbeit weiter stärken, durch gebündelte Ressourcen und klare Verantwortlichkeiten ermöglichen
Dr. Nora Ratzmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Integration, Projektleiterin und Hauptautorin des Berichts: "Ob westdeutsche Großstadt oder ostdeutscher Landkreis – die von uns untersuchten Kommunen sind sehr daran interessiert, dass Zuwanderung und das Zusammenleben aller gelingen. Entscheidend dafür ist Resilienz, also Anpassungsfähigkeit auch in herausfordernden Zeiten. Und die erreicht man nur mit gemeinsamen Anstrengungen auf kommunaler, Bundes- und Landesebene in ruhigeren Phasen."
Prof. Dr. Magdalena Nowicka, Leiterin der Abteilung Integration und Co-Autorin: "Einwanderung und Integration müssen keine Krisen auslösen, sondern können die Gesellschaft bereichern. Dafür bedarf es einer positiven Haltung und umfassender struktureller Änderungen. Wie wichtig das ist, zeigen auch die diesjährigen Wahlen und der Stimmenzuwachs für rechtspopulistische Parteien, die das Thema dominieren."
Den Bericht mit den ausführlichen Handlungsempfehlungen zum Download finden Sie hier.