Quellen: Deutsche Bischofskonferenz, Diakonie Baden, Diakonie Schleswig-Holstein
Der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), erklärt zur aktuellen Asyldebatte:
"Vor dem Hintergrund der Terrortat von Solingen und der aktuellen Landtagswahlen wird in Deutschland derzeit eine hitzige Asyldebatte geführt. Tatsächlich muss der islamistische Terrorismus entschieden bekämpft werden. Dieses Anliegen teilen gerade auch Menschen, die vor Krieg und Terror geflüchtet sind.
Was jedoch niemandem hilft, ist ein Überbietungswettbewerb asylrechtlicher Verschärfungen. Durch emotionalisierte Zuspitzungen und den markigen Ruf nach vermeintlich einfachen Lösungen wird eine gefährliche Dynamik in Gang gesetzt: Ängste werden geschürt, unerfüllbare Erwartungen geweckt – und auf diese Weise droht die demokratische und rechtsstaatliche Kultur unseres Landes Schaden zu nehmen. Auch das europäische Projekt wird gefährdet, wenn im größten Mitgliedstaat der EU Forderungen laut werden, sich über das gemeinsame Recht einfach hinwegzusetzen. Fast in Vergessenheit scheint dabei zu geraten, dass die EU mit der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) bereits restriktivere Regelungen beschlossen hat, die nun schrittweise umgesetzt werden.
Aus meiner Sicht steht fest: Rechtsstaatliche Grundsätze und internationale Verpflichtungen sind ein hohes Gut. Sie zu achten ist das Fundament, um zu verantwortungsvollen Lösungen zu gelangen. Es gilt, durch sachliche Politik zu überzeugen – etwa, indem man die Kommunen wirksam unterstützt, bestehende Hürden auf dem Weg zu gelingender Integration abbaut und bürokratische Verfahren vereinfacht. Sicherheit und Flüchtlingsschutz sind keine Gegensätze, sondern gehören zusammen!" Dr. Stefan Heße
Auch die Diakonie Baden fordert ein Ende des populistischen Wettstreits in der Asylpolitik. Der Landesverband bittet alle demokratischen Parteien, Asylverfahren rechtsstaatlich durchzuführen und bessere Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete zu beschließen. Zurückweisungen an den EU-Binnengrenzen lösen keine Probleme und sind menschenunwürdig.
"Die aktuellen Diskussionen zum Umgang mit Flüchtlingen sind Gift für die europäische Demokratie, weil sie oft von populistischen und irrationalen Forderungen geprägt sind, die die Rechte von Geflüchteten beschneiden und die Grundkonsense der EU untergraben. Sie werfen auch die Frage auf, wie wir mit unseren europäischen Nachbarn umgehen. Die Vorschläge führen zu einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft und gefährden die Solidarität und den Zusammenhalt innerhalb der EU", warnt Oberkirchenrat Urs Keller, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Baden.
Er sagt weiter:
"Die aktuelle Diskussion über den Umgang mit Flüchtlingen wird auf dem Rücken derjenigen ausgetragen, die nach Deutschland geflüchtet sind und nun hier leben, arbeiten und integriert sind. Diese Menschen sind nicht schuld an Problemen wie Wohnraummangel, schlechten Schultoiletten oder maroden Brücken. Sie tragen vielmehr dazu bei, dass wichtige Dienste weiter funktionieren, trotz des Mangels an Fachkräften. Die tödlichen Messerattacken von Mannheim und Solingen schockieren uns alle. Hier muss der Rechtsstaat mit allen Mitteln durchgreifen. Aber die Taten Einzelner dürfen nicht dazu führen, dass alle Flüchtlinge pauschal verurteilt werden. Wir sollten uns gegen politische Kräfte stellen, die die Gesellschaft spalten wollen, und stattdessen diejenigen unterstützen, die sich für den Zusammenhalt und die Integration von Flüchtlingen einsetzen." Urs Keller
Zu diesen populistischen Forderungen gehören auch die Forderungen nach pauschalen Zurückweisungen an den EU-Binnengrenzen. "Die von der CDU/CSU geforderten Zurückweisungen an den Binnengrenzen sind nicht nur klar rechtswidrig und unterhöhlen den internationalen Flüchtlingsschutz, sondern sind vor allem auch ein völlig untaugliches System, das die Effizienz des Asylsystems gefährdet", sagt der Flüchtlingsrechtsexperte der Diakonie Baden, Jürgen Blechinger.
Politisch Verfolgte und Menschen, denen in Kriegssituationen individuelle schwere Gefahren für Leib und Leben drohen, haben nach dem internationalen Flüchtlingsrecht ein Menschenrecht auf Schutz. Hierzu gehöre ein effektiver Zugang zu einem fairen und gerechten Asylverfahren in der EU, so Blechinger. "Bevor ein Asylsuchender an der Binnengrenze auf ein Asylverfahren in einem anderen EU-Staat verwiesen werden kann, muss zunächst dessen Zuständigkeit geklärt sein und dieser der Übernahme des Asylsuchenden auch zustimmen. Nur so ist sichergestellt, dass politisch Verfolgte ein faires und rechtsstaatliches Asylverfahren bekommen." Pauschale Zurückweisung führe zu einem unwürdigen Ping-Pong-Spiel und untergrabe das internationale Flüchtlingsschutzsystem. Der Ansatz der Ampel, das Dublin-Prüfverfahren zu beschleunigen und auch bei den sogenannten Grenzaufgriffsfällen die Dublin-Verfahren beschleunigt und rechtsstaatlich durchzuführen, könne zwar die Unzulänglichkeiten des europäischen Asylsystems nicht lösen, seien aber, laut Blechinger, ein vernünftiger und pragmatischer Ansatz. Diese Verfahren würden bereits angewandt. "Im Zusammenwirken von Bund und Ländern können hier in enger Absprache mit den europäischen Partnern sicher noch Verbesserungen in den Abläufen erzielt werden. Es ist allerdings eine Illusion zu glauben, durch Zurückweisungen von im Herkunftsland hochgradig gefährdeten Menschen, könnten die Asylzahlen in Deutschland reduziert werden."
Im Gegenteil: Das Hin- und Herschieben von Zuständigkeiten unterminiere zum einen die europäische Solidarität, zum anderen reisten die schutzbedürftigen Menschen über die "grünen" Grenzen und auf anderen Wegen wieder ein und nicht zuletzt würden die Verfahren dadurch eher verlangsamt als beschleunigt. Statt solche untauglichen Scheinlösungen zu verfolgen, müsste über das Schutzgesuch in einem rechtsstaatlichen Asylverfahren schneller entschieden werden und vor allem die Integrationsstrukturen besser ausgestattet und effizienter werden, sagt der Experte Jürgen Blechinger.
Die Diakonie Schleswig-Holstein schließt sich den vorherigen Statements an und fordert ebenfalls ein Ende des populistischen Überbietungswettbewerbs in der Asylpolitik. Stattdessen fordert der Landesverband alle demokratischen Parteien auf, an rechtskonformen Asylverfahren festzuhalten und politische Entscheidungen für eine bessere Integration von Geflüchteten voranzubringen. Dazu sagte Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß:
"Die aktuelle Debatte über eine Verschärfung des Asylrechts und Abweisungen an den Grenzen schadet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Sie wird auf den Rücken von Menschen ausgetragen, die nach Deutschland geflüchtet und Teil unseres Gemeinwesens geworden sind. Sie arbeiten hier und engagieren sich in vielfältiger Weise für unser Land. Die Geflüchteten sind nicht verantwortlich für fehlenden Wohnraum, teils mangelhaft ausgestattete Schulen oder eine vernachlässigte Infrastruktur. Vielmehr tragen sie dazu bei, dass trotz Fachkräftemangels weiter Busse fahren, Menschen gepflegt werden können oder die IT in Betrieben funktioniert. Die tödlichen Anschläge von Solingen und Brokstedt schockieren uns alle. Hier muss der Rechtsstaat mit allen Mitteln durchgreifen. Das Fehlverhalten Einzelner darf aber nicht dazu führen, dass Menschen pauschal wegen ihrer Herkunft ausgegrenzt und rechtsstaatliche Verfahren grundsätzlich in Frage gestellt werden. Deshalb sollten wir uns gegen all jene politischen Kräfte stellen, die ein Interesse an Spaltung und Verunsicherung haben, und stattdessen Menschen, Einrichtungen und Institutionen stärken, die sich für den Zusammenhalt und eine bessere Integration von Geflüchteten einsetzen." Heiko Naß