Quellen: Deutsches Institut für Menschenrechte / PRO ASYL / Caritasverband Deutschland / Diakonie Deutschland
Vor drei Jahren übernahmen die Taliban in Afghanistan die Macht. Anlässlich dieses Jahrestages am 15. August empfiehlt das Deutsche Institut für Menschenrechte dringend, die Finanzierung des Bundesaufnahmeprogramms für Afghanistan (BAP) fortzusetzen. PRO ASYL, Caritas, Diakonie und viele weitere Institutionen sowie Vereine teilen die Kritik und fordern in einem gemeinsamen Statement den Erhalt des Programms.
"Die Lage in Afghanistan hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert. Das Ausmaß des Leids, das neben der katastrophalen humanitären Lage vor allem durch weit verbreitete schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen verursacht wird, ist alarmierend", erklärt Nele Allenberg, Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland/Europa am Institut für Menschenrechte. Die institutionalisierte Missachtung der Rechte von Frauen und Mädchen und die Verdrängung aus dem öffentlichen Leben durch die De-facto-Behörden der Taliban sei weltweit beispiellos.
"Das Bundesaufnahmeprogramm ist von entscheidender Bedeutung, um Menschen, die sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben, Schutz zu bieten."
Nele Allenberg, Deutsches Institut für Menschenrechte
Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen, Richter*innen sowie Kulturschaffende werden für ihre früheren Tätigkeiten und politischen Überzeugungen verfolgt. Viele von ihnen leben auch Jahre nach der Machtübernahme versteckt. „Das Bundesaufnahmeprogramm ist von entscheidender Bedeutung, um Menschen, die sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben, Schutz zu bieten“, betont Allenberg. "Das Schutzversprechen darf nicht abrupt enden. Viele gefährdete Afghan*innen haben sich auf die Zusicherungen Deutschlands verlassen, einige wurden bereits im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms kontaktiert, und so manche haben alles aufgegeben, um über Pakistan nach Deutschland in Sicherheit zu gelangen. Für einen Stopp des Programms gibt es aus Sicht des Instituts gegenwärtig keinen sachlichen Grund", so Allenberg weiter.
Das Institut empfiehlt der Bundesregierung dringend, auch im Jahr 2025 Mittel für das Bundesaufnahmeprogramm bereitzustellen, um gefährdete Afghan*innen zu unterstützen. Allenberg: "Die Fortführung des Programms ist nicht nur rechtlich geboten, sondern wäre auch ein klares Bekenntnis zu dem Schutzversprechen, das Deutschland gefährdeten Afghan*innen 2021 gegeben hat."
"Es kann nicht sein, dass ein von rechts getriebener Diskurs dazu führt, dass die Bundesregierung Verbündete im Stich lässt."
Dave Schmidtke, Sächsischer Flüchtlingsrat
Gerade jetzt werde dieser Schutz jedoch dringend benötigt, da die Taliban Kabul vor drei Jahren blitzartig zurückerobert haben und viele gefährdete Personen weiterhin in Gefahr seien, schreiben PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte in einer Mitteilung. Für sie steht diese katastrophale Entwicklung des Bundesaufnahmeprogramms auch im Zusammenhang mit den flüchtlingsfeindlichen Debatten der letzten Monate.
"Es kann nicht sein, dass ein von rechts getriebener Diskurs dazu führt, dass die Bundesregierung Verbündete im Stich lässt. Dies ist nicht nur fatal für die bedrohten Menschen, sondern macht auch deutsche Außenpolitik vor der Welt unglaubwürdig", so Dave Schmidtke vom Sächsischen Flüchtlingsrat.
"Das Ende des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan wäre ein dramatischer Vertrauensbruch gegenüber den Schutzsuchenden und der engagierten Zivilgesellschaft."
Caritas-Präsidentin Eva M. Welskop-Deffaa
Die Caritas-Präsidentin Eva M. Welskop-Deffaa betont: "Wenn 2025 die Mittel für die humanitäre Aufnahme um mehr als 60 Millionen Euro gekürzt werden, wie von der Bundesregierung angekündigt, ist das faktisch das Ende des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan. Dies wäre ein dramatischer Vertrauensbruch gegenüber den Schutzsuchenden und der engagierten Zivilgesellschaft."
Für den Fall, dass das Aufnahmeprogramm, allen Bedenken zum Trotz, vorzeitig eingestellt würde, müssten zumindest bereits erteilte Aufnahmezusagen unbedingt eingehalten werden, fordert der Deutsche Caritasverband. "Die durch zivilgesellschaftliche Organisationen für das Programm gemeldeten Fälle müssen verlässlich bearbeitet und die dafür notwendigen Mittel im Bundeshaushalt 2025 bereitgestellt werden," so Welskop-Deffaa.
"Das Bundesaufnahmeprogramm darf nicht den Haushaltskürzungen zum Opfer fallen."
Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch
Und Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch fordert: "Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan darf nicht den Haushaltskürzungen zum Opfer fallen. Nach wie vor gibt es viele schutzbedürftige Menschen in Afghanistan, denen Folter und Haft drohen, weil sie sich für die Menschenrechte eingesetzt haben. Es gibt immer noch offene Anträge auf Aufnahme in Deutschland. Mit vielen deutschen und europäischen Projekten haben wir die Menschen in Afghanistan ermutigt, sich für Bildung, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einzusetzen. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen." Das Programm habe gerade Fahrt aufgenommen, betont Schuch. Es sei nicht nachvollziehbar, dass es nun vorzeitig eingestellt werden solle, denn es rette Menschenleben.
"Als Kirche und Diakonie haben wir uns von Anfang an für das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan eingesetzt und es mit unserer Migrationsberatung unterstützt. Drei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban ist die Lage in Afghanistan dramatischer denn je. Frauen- und Menschenrechte werden in Afghanistan mit Füßen getreten, die humanitäre Situation ist unerträglich", so Schuch.