Quelle: Deutsche Bischofskonferenz
Auf Einladung des Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen und Vorsitzenden der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), hat am 30. April 2024 in Köln der achte Katholische Flüchtlingsgipfel stattgefunden. Rund 200 Fachleute der kirchlichen Flüchtlingsarbeit berieten über den Flüchtlingsschutz in der Europäischen Union (EU). Ein besonderer Fokus lag dabei auf dem Beitrag der Kirche für eine menschenwürdige Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten.
"Das kirchliche Engagement für Schutzsuchende ist weiterhin lebendig", betonte Erzbischof Heße zu Beginn des Gipfels. So hätten sich 2023 im Raum der katholischen Kirche 5.775 Hauptamtliche und rund 36.600 Ehrenamtliche für die Anliegen von Geflüchteten engagiert. "Allein in Deutschland konnten durch die kirchliche Flüchtlingshilfe über 525.000 Schutzsuchende erreicht werden", so Erzbischof Heße weiter. Mit Blick auf die teils hitzige Migrationsdebatte stellte er fest: "Nicht Polemik und Polarisierung bringen uns weiter – gefragt sind vielmehr konkrete humanitäre Lösungsansätze – in Deutschland, Europa und weltweit. Dies gilt vor allem dann, wenn der Flüchtlingsschutz unter Druck gerät, wie es aktuell wieder der Fall ist." Eine deutliche Absage erteilte der Erzbischof der politischen Forderung, den Flüchtlingsschutz in Drittstaaten außerhalb der EU auszulagern: "Die überwiegende Mehrzahl aller Geflüchteten wird nach wie vor in Ländern des Globalen Südens aufgenommen. Angesichts dieser ohnehin bestehenden Schieflage erscheint der Ruf nach einer immer stärkeren Auslagerung des Flüchtlingsschutzes in ärmere Regionen dieser Welt geradezu grotesk." Mit Nachdruck plädierte er für eine gerechte Verantwortungsteilung in Europa und weltweit.
Flüchtlingsschutz in Europa aus Sicht der EU-Kommission und des Vatikans
In zwei Vorträgen wurde der Flüchtlingsschutz in Europa aus Sicht der EU-Kommission und des Vatikans in den Blick genommen. Franz Lamplmair (Generaldirektion Migration und Inneres der Europäischen Kommission) sagte: "Die großen Herausforderungen der letzten Jahre an verschiedenen Außengrenzen der EU haben auch aufgezeigt, wie komplex die Bewältigung einer Situation ist, die die Mitgliedstaaten auf unterschiedliche Weise betrifft und in der die Maßnahmen eines Mitgliedstaats Auswirkungen auf die anderen Mitgliedstaaten haben. Migration ist eine europäische Herausforderung, die eine europäische Antwort erfordert." Pater Fabio Baggio CS (Dikasterium für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen) beleuchtete kirchliche Grundsätze des Flüchtlingsschutzes: "Die mittelfristige Strategie der Kirche wurde von Papst Franziskus in vier Verben zusammengefasst: aufnehmen, schützen, fördern und integrieren. Sie stehen für die vier Säulen eines koordinierten und wirksamen Handelns als Antwort auf die Herausforderungen der heutigen erzwungenen Migration, ein Handeln, das die Kirche in Zusammenarbeit mit allen politischen und gesellschaftlichen Akteuren entwickeln muss – mit dem Ziel einer zukunftsorientierten 'Governance' von Migrationsbewegungen, die allen zugutekommt."
In mehreren Arbeitsgruppen bestand die Möglichkeit zum praxisnahen Austausch über verschiedene Aspekte des Flüchtlingsschutzes in Europa. So schilderte beispielsweise eine Mitarbeiterin der Caritas Hellas, die im Flüchtlingslager auf der Insel Lesbos aktiv ist, eindrücklich die Lage von Geflüchteten an der EU-Außengrenze in der Ägäis und berichtete von kirchlichen Handlungsansätzen. Mit Mitarbeiterinnen des Jesuit Refugee Service Europe konnten sich die Teilnehmenden über ein Bildungsprojekt austauschen, das europäische Jugendliche gemeinsam mit Geflüchteten dazu ermutigt und befähigt, für einen starken Flüchtlingsschutz und eine weltoffene Gesellschaft einzustehen. In weiteren Arbeitsgruppen ging es um kirchliche Vorschläge für die Weiterentwicklung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), Praxisbeispiele aus Polen, ein Projekt der Internationalen Katholischen Migrationskommission (ICMC) zur Stärkung komplementärer Zugangswege nach Europa, Fragen der Rückkehrberatung sowie Initiativen gegen Menschenhandel.
"Das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) darf nicht zur Legalisierung von Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen führen." Prof. Dr. Beate Rudolf, Deutsches Institut für Menschenrechte
Die abschließende Podiumsdiskussion widmete sich aktuellen Herausforderungen des europäischen Flüchtlingsschutzes. Dabei warnte Prof. Dr. Beate Rudolf (Deutsches Institut für Menschenrechte) vor einer Gefährdung der Menschenrechte von Geflüchteten: "Das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) darf nicht zur Legalisierung von Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen führen. Deshalb ist es wichtig, dass zivilgesellschaftliche Organisationen die Umsetzung der GEAS-Reform genau beobachten und dass die gerichtliche Überprüfung wirksam ausgestaltet wird." Franz Lamplmair hingegen betonte die positiven Aspekte: "Die historische Einigung über das Migrations- und Asylpaket stellt einen Wendepunkt dar. Sie wird die EU mit einer soliden Rechtsgrundlage für ein umfassendes und integriertes Migrationsmanagement ausstatten." Staatssekretär Lorenz Bahr (Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen) hob die Vielschichtigkeit der Thematik hervor: "Die Migrationspolitik ist eines der ganz zentralen Politikfelder unserer Zeit. Es ist deshalb besonders wichtig, dass sich alle politischen Ebenen und Akteure, von Europa bis zur Kommune, vom kirchlichen Träger bis zur zivilgesellschaftlichen Organisation, neuen Ansätzen einer humanitären und ambitionierten Politik widmen. Als Verantwortungsgemeinschaften stehen wir alle in dieser Aufgabe eng zusammen – gerade da die Herausforderungen in den vergangenen Jahren zugenommen haben." Steffen Feldmann (Mitglied des Executive Board von Caritas Europa) sprach sich für einen Perspektivwechsel aus: "Aus Sicht der Caritas darf die Deutungshoheit nicht länger denjenigen Kräften überlassen werden, die das Thema Asyl und Migration zur Erreichung kurzfristiger politischer Vorteile oder europa- und demokratiefeindlicher Ziele instrumentalisieren. Die EU und ihre Mitgliedstaaten benötigen eine neue Erzählweise, die Migration als Normalität begreift und den unverzichtbaren Beitrag von Migrantinnen und Migranten in den Vordergrund rückt."
"Als Kirche stehen wir an der Seite der Vertriebenen und Schutzsuchenden auf jeder Etappe ihres Weges." Erzbischof Dr. Stefan Heße
Erzbischof Heße stellte resümierend fest: "Der Flüchtlingsschutz ist eine gemeinsame europäische Verantwortung. Gerecht werden wir ihr nur mit mehr Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und einer klaren Orientierung an den Menschenrechten. Als Kirche stehen wir an der Seite der Vertriebenen und Schutzsuchenden auf jeder Etappe ihres Weges. Wir machen uns auch künftig dafür stark, dass der Flüchtlingsschutz in Europa nicht ausgehöhlt wird."
Flüchtlingshilfe in Zahlen
Die jetzt veröffentlichte Statistik der Deutschen Bischofskonferenz zur katholischen Flüchtlingshilfe für das Jahr 2023 hat ergeben, dass die 27 (Erz-)Bistümer, die Militärseelsorge und die kirchlichen Hilfswerke mindestens 88 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe bereitgestellt haben, darunter 32,2 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe im Inland und 55,8 Millionen Euro für die Unterstützung der Flüchtlinge im Ausland. Im Jahr 2023 waren 5.775 hauptamtliche Mitarbeitende und rund 36.600 Ehrenamtliche in der Hilfe für Geflüchtete tätig. Mindestens 525.000 Schutzsuchende wurden durch die katholische Flüchtlingshilfe im Inland erreicht. Von 2014 bis 2023 hat die katholische Kirche insgesamt mehr als 1,1 Milliarden Euro an finanziellen Sondermitteln für die Flüchtlingshilfe im In- und Ausland aufgebracht.
Weitere Informationen zum Katholischen Flüchtlingsgipfel oder den Zahlen gibt es unter www.fluechtlingshilfe-katholische-kirche.de.