Staatsangehörigkeitsrecht: Was sagt die Bevölkerung?

Staatsangehörigkeitsrecht: Was sagt die Bevölkerung?

Quelle: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung

Die Bundesregierung plant derzeit eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hat untersucht, welche Anpassungen die Bevölkerung positiv und welche negativ bewertet, wie groß das derzeitige Interesse an der deutschen Staatsangehörigkeit unter Berechtigten ist und ob durch die Reform mit einer höheren Zahl an Einbürgerungen zu rechnen wäre.

Die breite Bevölkerung bewertet eine mögliche Reform differenziert, insgesamt aber eher positiv, so das Gesamtergebnis der ersten Analyse des DeZIM. Einen erleichterten Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft würde grundsätzlich etwa die Hälfte der Menschen in Deutschland befürworten, während ein Drittel Erleichterungen ablehnt. Etwas weniger als die Hälfte sieht auch die Möglichkeit zur doppelten Staatsbürgerschaft positiv. Die Absenkung der Anforderungen an die für die Staatsbürgerschaft erforderlichen Sprachkenntnisse für ältere Personen wird von knapp einem Drittel positiv gesehen, etwas mehr als jede*r Zweite lehnt dies allerdings ab. Erstautorin Madeleine Siegel erläutert: "Den Menschen scheint das Erlernen der deutschen Sprache sehr wichtig zu sein, weshalb diesbezügliche Erleichterungen eher kritisch betrachtet werden. Allerdings wird das mit diesem Reformvorschlag verbundene Ziel – die Anerkennung der Lebensleistung von Migrant*innen – zugleich von zwei Dritteln der Befragten positiv aufgenommen."

"Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bezogen auf die Einbürgerungsquote von einem Prozent deutlich hinter anderen EU-Ländern. Es ist fraglich, ob die geplante Reform die bestehenden Lücken schließen kann." DeZIM-Forscher Dr. Jannes Jacobs

Die Analyse zeigt auch, dass es ein großes Interesse an der deutschen Staatsbürgerschaft gibt. Über elf Millionen Menschen leben derzeit ohne deutschen Pass im Land. Etwas mehr als die Hälfte dieser Personen ist an einer Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft interessiert oder hat bereits Schritte dazu unternommen. Eingewanderte Frauen haben ein stärkeres Interesse daran, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, als eingewanderte Männer
 
Dr. Jannes Jacobsen, Leiter des Clusters Daten-Methoden-Monitoring: "Der Bedarf für Zugang zum deutschen Pass ist groß. Und im europäischen Vergleich liegt Deutschland bezogen auf die Einbürgerungsquote von einem Prozent deutlich hinter anderen EU-Ländern, wie beispielsweise Schweden, wo im gleichen Jahr jede*r Zehnte eingebürgert wurde. In Portugal und Rumänien waren es in diesem Zeitraum rund 5 von 100 Personen. Es ist fraglich, ob die geplante Reform die bestehenden Lücken schließen kann. Sie könnte in einigen Fällen schneller zum deutschen Pass führen – in anderen die individuellen Hürden aber auch erhöhen."

"Kurzfristig könnte die Zahl der Einbürgerungsanträge durch die Reform steigen. Langfristig würde sie unter den aktuellen Bedingungen in erster Linie zu früheren, aber nicht unbedingt zu mehr Einbürgerungen führen." Dr. Niklas Harder, Co-Leiter der Abteilung Integration am DeZIM

Die zweite Analyse des DeZIM untersucht, wer von der vorgesehenen Absenkung der Mindestaufenthaltsdauer für die Regeleinbürgerung von acht auf fünf Jahre profitieren könnte: Etwa ein Fünftel bis ein Drittel der seit fünf, sechs oder sieben Jahren in Deutschland lebenden Ausländer*innen erfüllt die wirtschaftlichen und sprachlichen Anforderungen. Die Zahlen unterscheiden sich deutlich je nach Befragungsjahr, worin sich unterschiedliche Zusammensetzungen und Dynamiken der Einwanderung ausdrücken. Fest steht aber, dass die Senkung der Mindestaufenthaltsdauer vielen Menschen die Möglichkeit geben würde, früher als bisher einen Antrag auf Einbürgerung zu stellen und ihren Aufenthaltsstatus in Deutschland damit rechtlich abzusichern.  
 
Dr. Niklas Harder, Co-Leiter der Abteilung Integration am DeZIM, ordnete dieses Ergebnis ein: "Kurzfristig könnte die Zahl der Einbürgerungsanträge durch die Reform steigen. Langfristig würde sie unter den aktuellen Bedingungen in erster Linie zu früheren, aber nicht unbedingt zu mehr Einbürgerungen führen. Es wäre wichtig, die zuständigen Behörden bei der Reform mitzunehmen. Bereits jetzt gibt es teilweise sehr lange Wartezeiten. Um die Zahl der Einbürgerungen zu erhöhen, müsste die Leistungsfähigkeit der Verwaltung gestärkt werden."

Hintergrund
Für die beiden DeZIM-Analysen wurden repräsentative Daten des DeZIM.panels bzw. des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet. Das DeZIM.panel ist eine längsschnittliche Dauerbefragung der Bevölkerung, in der Personen mit und ohne Migrationsgeschichte einbezogen werden. Alleinstellungsmerkmal ist, dass die größten Gruppen von Zugewanderten in Deutschland repräsentiert und zugleich unterschiedliche Zeiträume der Migration nach Deutschland abbildet sind. Die berichteten Ergebnisse entstammen der sechsten regulären Welle des DeZIM.panels, bei der in der Zeit vom 28. März bis 7. Mai 2023 insgesamt 3.641 Teilnehmende online befragt wurden. Das am DIW Berlin angesiedelte SOEP ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Die vorgelegten Ergebnisse basieren auf den Erhebungen der Jahre 2016 bis 2020.

Infos
Kontakt

Dr. Mathias Rodatz
Leiter Stabsstelle Kommunikation & Wissenstransfer
E-Mail: presse(at)dezim-institut.de
Tel.: 030-200754-130