Quelle: PRO ASYL
Die Stiftung PRO ASYL hat dem Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG) den Menschenrechtspreis 2023 verliehen. Stellvertretend wurden namentlich Heike Kleffner, Ibrahim Arslan und Sultana Sediqi ausgezeichnet. Der Preis ist mit 5.000 Euro pro Preisträger*in dotiert.
Die Ehrung ist ein Zeichen der Solidarität mit Opfern rechter Gewalt und eine Unterstützung der demokratischen Zivilgesellschaft – in einer Zeit, in der in Deutschland täglich Menschen aus rassistischen, rechten, antisemitischen und vermehrt auch aus trans- und queerfeindlichen Motiven angegriffen werden.
"Wenn demokratische Parteien sich jetzt nicht entschlossen und unmissverständlich öffentlich für das Recht auf Asyl und für ein Bleiberecht der Opfer rassistischer Gewalt einsetzen, dann zerbröselt das Fundament unserer Demokratie: die Würde des Menschen." Halima Gutale, Vorsitzende des Stiftungsrates
"Wir leben in einer Zeit in der die Menschenrechte keine Selbstverständlichkeit mehr sind. Das Recht auf Asyl wird angegriffen, auf Worte folgen die Taten. Wir alle müssen aufwachen: Unsere Demokratie ist in Gefahr. Wenn demokratische Parteien sich jetzt nicht entschlossen und unmissverständlich öffentlich für das Recht auf Asyl und für ein Bleiberecht der Opfer rassistischer Gewalt einsetzen, dann zerbröselt das Fundament unserer Demokratie: die Würde des Menschen, " warnt Halima Gutale, Vorsitzende des Stiftungsrates, anlässlich der Verleihung des Menschenrechtspreises. Mit dieser Auszeichnung stellt sich PRO ASYL an die Seite der Opfer rassistischer Gewalt.
Gegen Straflosigkeit und Normalisierung rassistischer, rechter und antisemitischer Gewalt
Der VBRG setzt sich seit seiner Gründung im Jahr 2014 dafür ein, dass Menschen, die rechte Gewalt erlitten haben, ihre Rechte wahrnehmen können und Zugang zu solidarischen Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen erhalten. Derzeit haben sich in dem Verband 17 Beratungsstellen zusammengeschlossen, die insgesamt 30 Anlaufstellen in 14 Bundesländern sowie Onlineberatung anbieten. Jährlich beraten und begleiten die im VBRG zusammengeschlossenen Beratungsstellen Hunderte Betroffene, Angehörige und Zeug*innen auf professioneller, kostenloser und unabhängiger Basis sowie parteilich im Sinne der Betroffenen. Sie kämpfen damit gegen Straflosigkeit und gegen die Normalisierung von rassistischer, rechter und antisemitischer Gewalt.
Zu den Preisträger*innen
Heike Kleffner ist seit 2018 Geschäftsführerin des VBRG und freie Journalistin. Sie sagt: "Die Straflosigkeit in vielen Fällen rassistischer, rechter und antisemitischer Gewalt und die Normalisierung rassistischer Diskurse entmutigt die Angegriffenen und stärkt die Täter*innen, ihre Sympathisant*innen und Nachahmer*innen. Daher ist eine Erweiterung des Opferschutzes im Aufenthaltsgesetz überfällig. Dafür muss die Bundesregierung ein Gesetzesvorhaben für ein humanitäres Bleiberecht für Betroffene rassistischer Gewalt ohne festen Aufenthaltsstatus auf den Weg bringen – durch eine Erweiterung des Paragrafen 25 im Aufenthaltsgesetz. Es kann nicht sein, dass Täter*innen profitieren, weil abgeschobene Opfer nicht mehr als Zeug*innen in Strafverfahren aussagen können."
Neben der direkten Unterstützung der Betroffenen legt sie auch einen Schwerpunkt darauf, durch ihre journalistische Arbeit über die Entstehungsbedingungen und Auswirkungen von Rechtsterrorismus und das Handeln staatlicher Institutionen aufzuklären.
İbrahim Arslan ist Überlebender und Hinterbliebener des rassistischen Brandanschlags am 23. November 1992 in Mölln und sagt: "Die Überlebenden sind die Hauptzeug*innen des Geschehens und keine Statist*innen. Ihre Perspektive muss selbstverständlicher Mittelpunkt der staatlichen Maßnahmen und zivilgesellschaftlichen Initiativen sein."
Seit vielen Jahren engagiert er sich für die Selbstorganisation und das Empowerment von Betroffenen rassistischer Gewalt – unter anderem im „Betroffenen- und Solidaritätsnetzwerk“ (BeSoNet) und bringt als Bildungsreferent insbesondere an Schulen die Perspektive der Betroffenen ein. Durch die "Möllner Rede im Exil", die er seit 2013 gemeinsam mit seiner Familie und dem Freundeskreis im Gedenken an die rassistischen Brandanschläge von Mölln 1992 zum Jahrestag des Brandanschlags veranstaltet, etablierte er eine neue Gedenkkultur gegen das Vergessen, die die Angehörigen und Überlebenden rassistischer und antisemitischer Anschläge und Morde in den Mittelpunkt stellt.
Sultana Sediqi, die als Kind mit ihrer Familie aus Afghanistan floh und seit zehn Jahren in Thüringen lebt, sagt: "Rassistisch motivierte Angriffe gegen Kinder und Jugendliche haben sich innerhalb von einem Jahr verdoppelt und beeinflussen den Alltag der betroffenen Familien massiv. Allzu oft fühlen sich die Familien von den Institutionen des Rechtsstaats im Stich gelassen."
Im Jahr 2021 gründete sie die Initiative „Jugendliche ohne Grenzen“ in Thüringen und ist stellvertretende Vorsitzende des Vereins MigraFem. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen unterstützt Sultana Sediqi Jugendliche und Frauen, die in Ostdeutschland Rassismus und Diskriminierung erlebt haben und arbeitet dabei eng mit der Thüringer Opferberatungsstelle ezra – Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt im Netzwerk des VBRG zusammen.
„Das Engagement des VBRG und der zahlreichen Beratungsstellen, die im gesamten Bundesgebiet tätig sind, verdient größte Wertschätzung.“ Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus, kommentiert: "Ich gratuliere dem VBRG zur Auszeichnung mit dem Menschenrechtspreis von Pro Asyl. Der Verband setzt sich seit vielen Jahren für die Belange und den Schutz von Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt ein. Die zugewandte und professionelle Begleitung leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der Gewalterfahrungen für Betroffene und unterstützt sie auf ihrem Weg zurück in einen selbstbestimmten Alltag. Das Engagement des VBRG und der zahlreichen Beratungsstellen, die im gesamten Bundesgebiet tätig sind, verdient größte Wertschätzung.“
"Sie setzen die Perspektive der Betroffenen in den Mittelpunkt und sind eine laute und starke Stimme für deren Belange." Reem Alabali-Radovan, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus, Reem Alabali-Radovan, kommentiert: "Die Stiftung Pro Asyl würdigt die wichtige Arbeit der Opferberatungsstellen für die Betroffenen von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Sie setzen die Perspektive der Betroffenen in den Mittelpunkt und sind eine laute und starke Stimme für deren Belange. Als Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus setze ich mich für den Schutz und die Unterstützung von Rassismus Betroffener ein und fördere daher seit Jahren die wertvolle Arbeit des VBRG im Rahmen des Bundesprogramms 'Demokratie leben!'".