Quelle: www.offener-brief.org
In einem Offenen Brief an die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen (NRW) beschreiben Antidiskriminierungs-Berater*innen aus dem Bundesland die Ungleichbehandlung von geflüchteten Menschen in Deutschland. Sie benennen dabei den Rassismus, welcher der Ungleichbehandlung zugrunde liegt und der sich vor dem Hintergrund des Umgangs mit ukrainischen Geflüchteten sehr deutlich zeigt. Sie fordern die Landesregierung auf, aktiv diese Missstände abzubauen.
"Stellen Sie sich vor, Sie sind Berater*in in einer Beratungsstelle", bitten die Verfasser*innen des Briefes die Landtagsabgeordneten. Sie mögen sich in die Situation hineinversetzen, einen Menschen zu beraten, der in einer Unterkunft leben muss, der nicht arbeiten darf, der keine angemessene Gesundheitsversorgung bekommt und dessen Kinder nicht beschult werden. "Nun sieht er, wie Menschen aus der Ukraine fliehen. Genau wie er damals aus Afghanistan. Er sieht, wie sie unmittelbar eine Arbeitserlaubnis bekommen, in Wohnungen ziehen dürfen, ihre Universitätsabschlüsse anerkannt werden, ihre Kinder in die Schule schicken können und wie stark sich die Politik solidarisiert. Er sitzt vor Ihnen und fragt: 'Warum werden wir nicht auch so behandelt? Warum gelten für uns andere Regeln? Sind wir nicht genauso Menschen?' – Sie sitzen vor ihm, sollen ihn beraten. Was antworten Sie? Welche Antwort können Sie geben, die Sie mit Ihrem Gewissen vereinbaren können?", heißt es in den ersten Zeilen des Briefes.
"Wir fordern Sicherheit und Gerechtigkeit für Alle"
"Wir wollen ausdrücklich nicht unterschiedliche Gruppen von Geflüchteten gegeneinander ausspielen. Wir spalten nicht, wir machen die Ungleichbehandlung sichtbar. Die Spaltung wird durch eine Politik betrieben, die Geflüchtete in unterschiedliche Gruppen aufteilt und sie ungleich behandelt. Wir fordern Sicherheit und Gerechtigkeit für Alle", erklärt Selda İlter-Şirin, einer der Autor*innen des Briefes.
In den Anlagen zu ihrem Offenen Brief zeigen die Antidiskriminierungs-Berater*innen konkret auf, in wie vielen Bereichen eine Ungleichbehandlung stattfindet: auf der Flucht, bei der Unterbringung, beim Zugang zu Arbeit, Bildung, Sozial- und Gesundheitsleistungen, sowie im Alltag und im gesellschaftspolitischen Diskurs. Damit berührt der Offene Brief nicht nur landespolitische Aufgaben, sondern auch europa-, bundes- und kommunalpolitische Zuständigkeiten. "Wir wollen ein möglichst umfassendes Bild der Ungleichbehandlung zeigen, die sich in unserem Beratungsalltag zeigt. Zudem wirken sich all diese politischen Ebenen unmittelbar auf unsere Arbeit in den Beratungsstellen in NRW aus", erläutert İlter-Şirin.
Etliche Wissenschaftler*innen und Prominente unterstützen den Brief öffentlich; darunter auch Prof. Dr. Karim Fereidooni (Ruhr-Universität Bochum), Prof. Dr. Claus Melter (Fachhochschule Bielefeld), Prof.’in Dr.’in Susanne Spindler (Hochschule Düsseldorf), Prof.’in Dr.’in Schahrzad Farrokhzad (TH Köln), die Schriftstellerin Mithu Sanyal, die Journalist*in und Autor*in Şeyda Kurt sowie einige Vereine und Organisationen.
"Wir wünschen uns, dass der Brief viel Aufmerksamkeit erfährt und in der Folge politische Praxen hinterfragt und geändert werden, denn die aktuelle massive Ungleichbehandlung verletzt Menschenrechte", erläutert İlter-Şirin.
Selda İlter-Şirin ist beschäftigt beim Train of Hope e.V. in Dortmund, der gemeinsam mit der Kurdischen Gemeinschaft Rhein/Sieg e.V. in Siegburg, ARIC NRW e.V. in Duisburg, Planderladen GgmbH in Dortmund, rubicon e.V. in Köln, Plan B Ruhr e.V. in Bochum und dem Gleichbehandlungsbüro in Aachen den Brief herausgegeben hat.