Quelle: Memorium Nürnberger Prozesse
Vom 28. Oktober 2022 bis 1. Oktober 2023 zeigt das Museum Memorium Nürnberger Prozesse im Cube 600 die Wechselausstellung "RECHTSTERRORISMUS. Verschwörung und Selbstermächtigung – 1945 bis heute". Sie informiert umfassend über das Phänomen Rechtsterrorismus, zeigt Kontinuitätslinien seit der Nachkriegszeit und legt einen besonderen Fokus auf die Perspektive der Betroffenen.
Die Wechselausstellung veranschaulicht Strukturen und Gefahren des Rechtsterrorismus, hebt Kontinuitätslinien ins Licht und setzt Beispiele aus Nürnberg und Umgebung mit nationalen und internationalen Fällen in Beziehung, wodurch gemeinsame ideologische Kernelemente sichtbar werden. Dadurch zeigt sich, dass Rechtsterrorismus keine temporäre und lokale Erscheinung der Gegenwart ist, sondern ein ständiger Begleiter der deutschen und internationalen Geschichte.
20 Fälle von rechtsterroristischer Gewalt zwischen 1945 und heute werdene thematisiert
Das Thema der Ausstellung berührt dabei auch unmittelbar die Nürnberger Prozesse, über die das Memorium am historischen Ort informiert: Als letzter sich noch in Haft befindlicher "Hauptkriegsverbrecher" war Rudolf Heß bis in die 1980er Jahre ein wichtiger Bezugspunkt in der Agenda rechter Terroristen. Sie forderten nicht nur seine Freilassung, sondern planten auch seine Befreiung aus dem Spandauer Kriegsverbrechergefängnis. Bis heute aktualisieren Rechtsterroristinnen und Rechtsterroristen die Weltanschauung völkischer und nationalsozialistischer Überzeugungstäter, die im Saal 600 verurteilt worden sind.
Die Ausstellung
Rechtsterrorismus ist eine Bedrohung in Deutschland und weltweit. Die damit verbundene Gewalt richtet sich gegen einzelne Personen und Gruppen bis hin zu ganzen Bevölkerungsteilen und die gesamte Gesellschaft. Rechtsterroristinnen und Rechtsterroristen planen und begehen Angriffe, Anschläge und Morde. Ihre Absicht ist es, Staat und Gesellschaft zu schwächen und ein Klima der Angst zu erzeugen.
Die Ausstellung geht auf über 20 Fälle von rechtsterroristischer Gewalt zwischen 1945 und heute ein. Sie offenbaren zum einen die Weltsicht der Täterinnen und Täter und deren Handeln, zum anderen zeigen sie die bislang eher vernachlässigten Folgen für die Opfer, deren Familien und die Gesellschaft. Zudem stellt die Ausstellung die Frage nach dem juristischen Umgang mit rechtsterroristischen Verbrechen. Das Besondere dabei ist, dass die Fälle nicht chronologisch nacherzählt, sondern in vier Themenfelder zusammengefasst werden:
- "Revanchismus – Wut der Unterlegenen"
- "Vigilantismus – Feindschaft mit dem Staat"
- "Antisemitismus – Hass auf Jüdinnen und Juden"
- "Rassismus – Gewalt gegen Vielfalt"
Auf diese Weise wird deutlich, dass im Rechtsterrorismus bestimmte Gruppen von Betroffenen über Jahrzehnte hinweg bedroht und angegriffen wurden.
Zu den gezeigten Fallbeispielen zählen rechtsterroristische Verbrechen aus den unmittelbaren Nachkriegsjahren ebenso wie aus der jüngeren Vergangenheit, wie beispielweise die Mordserie des NSU oder die Anschläge in Halle (Saale) im Jahr 2019, Hanau im Jahr 2020 und München im Jahr 2016. Der aktuellste Fall in der Ausstellung stammt aus den Jahren 2020/21, als im Nürnberger Umland ein Bürgermeister massiv von einer Rechtsterroristin bedroht wurde. Das juristische Revisionsverfahren dazu wurde erst Anfang 2022 abgeschlossen.
Auch besonders bekannte rechtsterroristische Fälle werden thematisiert, wie das Oktoberfestattentat 1980, bei dem durch die Explosion einer Bombe am Haupteingang des Oktoberfests 13 Personen getötet und über zweihundert Menschen teils schwer verletzt wurden, und der Doppelmord an Shlomo Lewin und Frida Poeschke, die im Dezember 1980 in ihrem Haus in Erlangen von einem Rechtsterroristen erschossen wurden.
Immer wieder hebt die Ausstellung dabei die Bedeutung lokaler Fälle aus Nürnberg und der Region hervor und beleuchtet fast vergessene Taten neu. Ein Beispiel hierfür ist der Anschlag von Helmut Oxner auf die Nürnberger Diskothek "Twenty Five" im Jahr 1982, bei dem drei Menschen ermordet und drei weitere teils schwer verletzt wurden. Neben lokalen und nationalen Beispielen werden auch internationale Fälle betrachtet, wie die Anschläge in Oslo und Utøya (Norwegen) im Jahr 2011 oder in Christchurch (Neuseeland) im Jahr 2019.
Zur Ausstellung gibt es ein umfassendes Begleitprogramm mit Podiumsdiskussionen, Führungen und einem Theaterstück. Weitere Informationen gibt es hier.
Die Gestaltung
Aufgeteilt auf drei Ausstellungsräume stehen insgesamt vier Ausstellungswände aus Metallgerüsten frei im Raum und widmen sich den jeweiligen thematischen Schwerpunkten. Innerhalb dieser Gruppen sind einzelne Fallbeispiele dargestellt. In jedem Bereich gibt es mindestens einen Fall, der ein Kernelement rechtsterroristischer Gewalt verdeutlicht. Die einzelnen Bereiche sind farblich hervorgehoben, um eine einfache Orientierung zu ermöglichen. Die thematische Fallanordnung macht inhaltliche Parallelen sichtbar, die verschiedenen Fälle sind jedoch auch untereinander mit chronologischen Bezügen versehen. Daneben sind kleine und große Exponate in verschiedenen Vitrinen präsentiert. Ergänzt wird die Ausstellung durch audiovisuelle Medienstationen und Hörstationen. Sie ist in den Sprachen Deutsch und Englisch verfügbar.
Die Förderer
Die Ausstellung wird vom Memorium Nürnberger Prozesse kuratiert und gefördert von der Stiftung GLS-Treuhand, dem Freistaat Bayern mit Haushaltsmitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales und der Amadeu Antonio Stiftung. Das Begleitprogramm findet in Kooperation mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit statt.
Der Ausstellungsort
Der Cube 600 befindet sich gegenüber dem Memorium Nürnberger Prozesse auf dem Gelände einer ehemaligen Kfz-Werkstatt. Mit dem Cube 600 erhielt das Memorium 2020/2021 zum ersten Mal Raum für Wechsel- und Wanderausstellungen.
Öffnungszeiten
1.4. bis 31.10.:
Mo, Mi, Do und Fr 9-18 Uhr; Sa und So 10-18 Uhr
1.11. bis 31.3.:
Mi bis Mo 10-18 Uhr
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