Quelle: PRO ASYL
Zum Tag des Flüchtlings am 1. Oktober appellieren die Menschenrechtsorganisationen PRO ASYL und Amnesty International an die sondierenden Parteien, einen menschenrechtskonformen Flüchtlingsschutz im Koalitionsvertrag zu verankern. Dazu gehören faire und rechtstaatliche Asylverfahren, das Recht auf Familiennachzug für alle Schutzberechtigten, die Vereinbarung, Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete zu unterlassen sowie der Zugang zu individuellem Asylrecht an EU-Außengrenzen.
Zum Auftakt der Sondierungsgespräche nach der Bundestagswahl fordern Amnesty International und PRO ASYL zum Tag des Flüchtlings die verhandelnden Parteien auf, sich unmissverständlich für das individuelle Recht auf Asyl in Deutschland und Europa sowie für einen starken Flüchtlingsschutz einzusetzen und dies auch klar im Koalitionsvertrag zu vereinbaren.
Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, sagt: "Jetzt ist der Zeitpunkt für alle Parteien, die Regierungsverantwortung wollen, ein klares unmissverständliches Bekenntnis zu den international verbrieften Menschenrechten von schutzsuchenden Menschen festzuschreiben. Wer Menschenrechte für sich proklamiert, kann diese nicht immer wieder gerade den Opfern von Gewalt und Verfolgung absprechen. Konkret darf Deutschland nicht in Kriegs- und Krisengebiete wie Afghanistan und Syrien abschieben. Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen müssen geahndet und eine europäische Seenotrettung ins Leben gerufen werden."
"Für eine offene, auf Menschenrechte basierende Gesellschaft ist der Umgang mit Geflüchteten der Lackmustest."
Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL, sagt: "Für eine offene, auf Menschenrechte basierende Gesellschaft ist der Umgang mit Geflüchteten der Lackmustest. Wir erwarten von Grünen, Liberalen und Sozialdemokraten, dass sie in einer künftigen Regierung hörbar und wirkungsvoll für Rechtsstaatlichkeit, die Geltung der Menschenrechte von Geflüchteten und das Recht auf Asyl in Europa eintreten. Das Totschweigen und Tolerieren der permanenten Rechtsbrüche, wie es die alte Regierung getan hat, muss ein Ende haben. Grenzverfahren in großen Lagern an den europäischen Außengrenzen dürfen nicht europarechtlich verankert werden. In Deutschland muss das Recht, als Familie zusammenzuleben, auch wieder für subsidiär Geschützte gelten. Die neue Bundesregierung muss zudem die AnkER-Zentren abschaffen, so faire Asylverfahren gewährleisten und eine auf Integration ausgerichtete Flüchtlingspolitik mit einer Bleibeperspektive umsetzen."
Als drängende Aufgabe für die noch amtierende Bundesregierung sehen die Organisationen die fortgesetzte Aufnahme besonders gefährdeter Menschen wie Menschenrechtsverteidiger*innen und Journalist*innen aus Afghanistan. Angesichts der konkreten Gefährdung der Menschen kann nicht auf den Ausgang von Koalitionsgesprächen gewartet werden.
Folgende fünf Bereiche sollten aus Sicht von Amnesty International und PRO ASYL im Koalitionsvertrag festgeschrieben werden:
- Familien gehören zusammen. Subsidiär schutzberechtigte Menschen haben wieder einen gesetzlich garantierten Anspruch auf Familiennachzug. Der Nachzug minderjähriger Geschwister wird gesetzlich verankert. Die Bearbeitung der Visaanträge und die Einreise nach Deutschland erfolgt innerhalb weniger Wochen digital.
- Faire und rechtsstaatliche Asylverfahren in Deutschland. AnkER-Zentren und vergleichbare Einrichtungen werden abgeschafft, denn Isolation beeinträchtigt die Wahrnehmung elementarer Rechte. Eine behördenunabhängige Verfahrens- und Rechtsberatung wird gewährleistet. Die Zeit in der Erstaufnahme wird wie früher auf drei Monate beschränkt, Geflüchtete können möglichst schnell selbstbestimmt wohnen und leben. So wird Integration gefördert.
- Zugang zum Asylverfahren in ganz Europa. Die Bundesregierung setzt sich mit allen Mitteln auf europäischer Ebene für ein Ende menschenrechtswidriger Pushbacks ein. Beschleunigte Asylverfahren an den Außengrenzen sowie haftähnliche und menschenunwürdige Unterbringung werden verhindert. Stattdessen werden Asylanträge stets inhaltlich in der EU geprüft und Flüchtlingsschutz nicht auf Drittstaaten ausgelagert. Die Bundesregierung setzt sich für die Schaffung eines unabhängigen Kontrollmechanismus ein, um Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren und zu ahnden.
- Verfolgte aus Afghanistan aufnehmen. Mit einem Bundesaufnahmeprogramm schützt die Bundesregierung gefährdete Verteidiger*innen von Demokratie und Menschenrechten aus Afghanistan. Landesaufnahmeprogramme für Afghan*innen, die einen Bezug zu Deutschland haben, vor allem durch hier lebende Angehörige, werden unterstützt. Grundsätzlich werden legale und sichere Zugangswege nach Deutschland ausgebaut.
- Bleibeperspektiven schaffen – keine menschenrechtswidrigen Abschiebungen. Die Asylrechtsverschärfungen der vergangenen Jahre werden rückgängig gemacht. Dazu zählt auch die „Duldung light“ mit dem Ausbildungs- und Arbeitsverbot. Wirksame Bleiberechtsregelungen werden eingeführt. Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete wie Syrien und Afghanistan werden unterlassen, ebenso innereuropäische Rückführungen ins Elend.