Quelle: Multikulturelles Forum e. V.
Die Corona-Pandemie gefährdet nicht nur die Gesundheit, sondern birgt auch viele weitere Risiken. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind längst in aller Munde, doch auch die sozialen und kulturellen Folgen dieser bisher einzigartigen Krise sind nicht zu unterschätzen. Mit Blick auf die Zukunft von Migrantenorganisationen äußert sich nun der Geschäftsführer des Multikulturellen Forums e. V., Kenan Küçük, besorgt: "Die Krise trifft auch die Migrantenorganisationen hart: Sie arbeiten gemeinnützig und oftmals ehrenamtlich, haben in der Regel weder Rücklagen noch eine Strukturförderung. Durch die Krise haben sie ihre Einnahmequellen verloren aber nach wie vor laufende Kosten wie z.B. Mieten."
Keine Einnahmen – kein Rettungsschirm für Migrantenorganisationen
Viele Migrantenorganisationen finanzieren sich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge; zahlreiche Spendenveranstaltungen können in der derzeitigen Lage nicht durchgeführt oder geplant werden, Mitgliedsbeiträge drohen aufgrund finanzieller Engpässe der Mitglieder auszufallen. Aber nicht nur ehrenamtliche Strukturen, sondern auch Migrantenorganisationen mit professionellem Angebot sind von der Krise betroffen, da Angebote nicht durchgeführt und Dienstleistungen nicht erbracht werden können; Einnahmen z.B. aus geplanten Kursen oder Maßnahmen fallen ersatzlos aus.
Von den bisher beschlossenen Rettungsschirmen können nur die wenigsten Migrantenorganisationen profitieren, so Küçük: "Ein-zwei Monate können die meisten sicherlich durchstehen. Doch was uns bevorsteht, ist ein längerer Prozess, der dazu führen könnte, dass wir einige dieser erfolgreichen Strukturen verlieren."
Dabei haben Politik und Gesellschaft in den letzten Jahren endlich begriffen, welch eine große Bedeutung den Migrantenorganisationen in einer Gesellschaft der Vielen zukommt: „Es wäre fatal, die mühsam und mit viel Herzblut entstandenen Organisationen nun in der Krise allein zu lassen.“ Dies hat Küçük auch bei einem Austausch mit der nordrhein-westfälischen Integrationsstaatssekretärin Serap Güler zum Ausdruck gebracht. Denn gerade jetzt kommt der Expertise und der Unterstützung, die die Migrantenorganisationen bieten können, eine große Bedeutung zu, trifft die Corona-Krise doch gerade die Benachteiligten der Gesellschaft, und somit auch Menschen mit Migrationshintergrund, in besonderem Maße.
Migrantenorganisationen gerade in und nach der Krise wichtiger denn je
Wo informiert sich der Geflüchtete über seine Rechte in Zeiten der Pandemie? Wo erhält die Schülerin mit Migrationshintergrund Unterstützung, wenn sie sich nach wochenlanger Schulschließung im Unterricht abgehängt fühlt? Wer greift denjenigen unter die Arme, die durch die Krise ihre Jobs verlieren? Ohne die Migrantenorganisationen entstünde eine große Lücke, die sich nicht ohne weiteres schließen ließe, betont Küçük. Schlimmer noch: Lässt man diese nun in der Krise allein und riskiert ihr Aus, verliert die pluralistische Gesellschaft wichtige Stimmen, wichtige Orte der Repräsentanz der Gesellschaft der Vielen, Sprachrohre für Vielfalt und Akteur*innen gegen Rassismus.
Insbesondere letzteres verdient ein besonderes Augenmerk, ist doch der ohnehin schon zunehmend rassistischer werdende öffentliche Diskurs vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie mit weiteren Hass- und Hetzkampagnen aufgeladen. Dass Diskriminierungen sich in Krisenzeiten verstärken, ist kein Novum. Auch jetzt werden Menschen, denen eine chinesische Herkunft attestiert wird, rassistisch beleidigt, zu "bedrohlichen Fremden" gemacht. Fake News werden über Geflüchtete als Ursache für die Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland verbreitet, Menschen mit Migrationshintergrund mit Hasskommentaren oder rassistischen Flugblättern in ihren Briefkästen belästigt. Nachdem der Anschlag in Hanau und die Forderungen nach einer entschiedeneren Bekämpfung von Rassismus in Deutschland – nicht nur – aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus schnell wieder aus dem Fokus gerieten, ist es umso wichtiger, dass Migrantenorganisationen weiterhin ihre Stimme erheben und sich weiter für ein Land einsetzen (können), in dem wir alle, frei nach Adorno, ohne Angst verschieden sein können.