1500 Kinder will die Bundesregierung aus griechischen Flüchtlingslagern evakuieren. Nun sollen zunächst 50 unbegleitete Minderjährige nach Deutschland kommen – „sehr zeitnah“, wie die Bundesregierung mitgeteilt hat. Für den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, ist das nicht genug:
"Es ist mir nicht mehr begreiflich, warum das vor vier Wochen vom Koalitionsausschuss beschlossene Kontingent von mindestens 1500 Kindern nicht längst nach Deutschland evakuiert wurde. Das kleine Luxemburg geht nun voran und fliegt noch vor Ostern die ersten Kinder aus. Daran sollte sich die Bundesregierung ein Beispiel nehmen und nicht länger zögern, sondern schnell helfen! Auch die überfüllten Lager müssen unverzüglich geräumt und die Schutzsuchenden europäisch verteilt werden. Griechenland kann diese Last nicht länger alleine schultern. Gerade jetzt in der Corona-Krise braucht es unsere Solidarität, also ein Relocation-Programm, das die Menschen schnell und dezentral auf verschiedene europäische Staaten verteilt", so Bedford-Strohm am 6. April 2020.
"Die Aufnahme von Flüchtlingen darf nicht ausgesetzt werden"
Vertreter von Kirchen und von Kommunen hatten bereits Anfang März nach einem Besuch des Flüchtlingslagers Moria in einer Erklärung von Lesbos die sofortige Aufnahme aller unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge durch EU-Staaten gefordert. Der Rat der EKD erklärte angesichts der Coronakrise in der vergangenen Woche, die Ausbreitung des Corona-Virus könne ohne die notwendige Solidarität der Völkergemeinschaft zu einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes werden. "Auch die Aufnahme von Flüchtlingen darf gerade in dieser Zeit nicht ausgesetzt werden", so der Rat.
Erzbischof Heße: "Desaströse Verhältnisse auf Lesbos beenden."
Auch der Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen und Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), äußert sich am 9. April 2020 zur Lage der schutzsuchenden Menschen in der griechisch-türkischen Grenzregion:
"Bei der Deutschen Bischofskonferenz und bei den Diözesen gehen in diesen Tagen zahlreiche Anfragen zur dramatischen Lage der schutzsuchenden Menschen in der griechisch-türkischen Grenzregion, vor allem auf der Insel Lesbos, ein. Vielen Menschen in unserem Land ist es ein Anliegen, dass Kinder, Familien und besonders vulnerable Flüchtlinge möglichst rasch die überfüllten griechischen Aufnahmelager verlassen können. Wir sehen darin ein starkes Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen und sind – auch wenn wir nicht alle Zuschriften individuell beantworten können – für jeden Brief und jede E-Mail dankbar. Als Sonderbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Flüchtlingsfragen halte ich es für wichtig, in der Sache noch einmal Folgendes festzustellen:
- Gemeinsam mit anderen Bischöfen habe ich in den letzten Wochen mit deutlichen Worten an die politischen Verantwortungsträger appelliert, eine humanitäre Krise an den EU-Außengrenzen abzuwenden und Wege zu einer gerechten Verantwortungsteilung zwischen den Staaten Europas zu finden. Deutschland und Europa sind in der Pflicht, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die desaströsen Verhältnisse auf Lesbos zu beenden.
- Eine aus acht EU-Staaten bestehende ‚Koalition der Willigen‘ hat bereits vor einem Monat zugesagt, insgesamt 1.600 unbegleitete oder kranke Kinder und Jugendliche von den griechischen Inseln aufzunehmen. Die Bischofskonferenz begrüßt auch weiterhin, dass die Bundesregierung ihre Beteiligung zugesichert hat. Angesichts der Corona-Pandemie ist das Vorhaben, mehreren Hundert Kindern aus den griechischen Lagern eine sichere Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, dringlicher denn je geworden. Es ist an der Zeit, dass den Worten endlich auch Taten folgen. Deutschland sollte sich nicht scheuen, bei der Verwirklichung dieses bereits verabredeten Projekts voranzugehen, statt darauf zu warten, bis andere Staaten sich bewegen. Dass das Bundesministerium des Innern kommende Woche 50 Kinder und Jugendliche einreisen lassen will, ist ein wichtiger erster Schritt.
- Wir sind in diesen Fragen mit den zuständigen staatlichen Stellen im Gespräch und haben signalisiert: Die Flüchtlingsdienste der Kirche – mit ihren vielen haupt- und ehrenamtlich Engagierten – sind bereit, ihren Beitrag zur Überwindung der humanitären Not an den EU-Außengrenzen zu leisten. Nun gilt es, politische Blockaden zu überwinden und – trotz Corona-bedingter Einschränkungen – zu einer schnellen Lösung zu gelangen."