Diskriminierung bei der Wohnungssuche ist Alltag in Deutschland

Diskriminierung bei der Wohnungssuche ist Alltag in Deutschland

Quelle: Antidiskriminierungsstelle des Bundes / Diakonie

Diskriminierungen auf dem Wohnungsmarkt sind ein verbreitetes Problem. Einer repräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zufolge machten rund 15 Prozent aller Befragten, die in den vergangenen zehn Jahren auf Wohnungssuche waren, dabei Diskriminierungserfahrungen – aus rassistischen Gründen, wegen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe oder der Herkunft aus einem anderen Land. Davon sind Menschen mit Migrationshintergrund besonders betroffen. Jede_r dritte Wohnungssuchende mit Migrationshintergrund (35 Prozent) berichtete der Umfrage zufolge von rassistischer Diskriminierung.

"Oft reicht schon ein fremd klingender Name aus, um gar nicht erst zur Wohnungsbesichtigung eingeladen zu werden. Auch offen rassistische Wohnungsanzeigen gehören leider noch immer zum Alltag", sagt Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. "Dabei ist Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt gesetzlich verboten. Betroffene sollten sich über ihre Rechtslage informieren und wenn möglich gegen Benachteiligungen vorgehen", so Franke weiter.

Bedenken bei Einwanderern in der Nachbarschaft

Eine deutliche Mehrheit der Befragten (83 Prozent) ist der Ansicht, dass Diskriminierung aus rassistischen Gründen, wegen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe oder der Herkunft aus einem anderen Land bei der Wohnungssuche in Deutschland eher häufig vorkommt. Damit ist der Wohnungsmarkt der Lebensbereich, in dem die meisten Befragten ein Problem mit rassistischer Diskriminierung vermuten. Die Befragten wurden überdies nach ihren persönlichen Einstellungen gegenüber eingewanderten Personen als potenzielle Nachbar_innen und Mieter_innen gefragt.

Hier zeigt sich, dass die Vorbehalte gegenüber Einwander_innen zunehmen, je näher die Situation in die Privatsphäre hineinreicht. So hätten 29 Prozent der Befragten sehr große oder große Bedenken, wenn in die Nachbarwohnung oder das Nachbarhaus eine Person einziehen würde, die nach Deutschland eingewandert ist. Die Vorstellung, eine Wohnung, die der befragten Person selbst gehört, an eine eingewanderte Person zu vermieten, sorgt bei 41 Prozent der Befragten für Bedenken.

Nach Ansicht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sollten zur Vermeidung von Diskriminierung mehrere rechtliche Schlupflöcher, die Benachteiligungen begünstigen, geschlossen werden. So gilt das Diskriminierungsverbot im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) grundsätzlich nicht, wenn ein besonderes "Nähe- oder Vertrauensverhältnis" eingegangen wird, etwa durch Nutzung von Wohnraum auf demselben Grundstück. Außerdem dürfen beispielsweise Wohnungsbaugesellschaften Wohnungssuchende "im Hinblick auf die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse" unterschiedlich behandeln. Beide Ausnahmeregelungen werden auch von dem UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung und der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) kritisiert.

"Ausnahmeregelungen müssen aufgehoben werden"

"Die Ausnahmeregelungen bergen nicht nur die Gefahr des Missbrauchs und können Rechtfertigungen für rassistische Diskriminierungen bieten – sie verstoßen aus unserer Sicht auch eindeutig gegen das Europarecht und müssen aufgehoben werden", sagte Franke und verwies auf ein aktuelles Rechtsgutachten der Bonner Rechtswissenschaftler Prof. Thüsing /Dr. Vianden. Das Rechtsgutachten schlägt unter anderem eine Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 19 Abs. 5 AGG) vor, um gesetzlich klarzustellen, dass hohe Anforderungen an ein "besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien" zu stellen sind, wenn dies dazu führen soll, dass der Diskriminierungsschutz hinter den Schutz der Privatsphäre zurücktritt.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagt zu der Studie: "Der Befund der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist erschreckend. Rassismus hat viele Gründe, aber nie eine Rechtfertigung. Bezahlbarer Wohnraum für alle ist eine der zentralen sozialen Fragen unserer Zeit und eine Grundbedingung für Teilhabe in einer immer diverseren Gesellschaft. Gerade Menschen mit Migrationserfahrung, aber auch Arbeitslose, Alleinerziehende, Menschen mit Behinderung oder Senioren mit kleiner Rente haben es bei der Wohnungssuche besonders schwer. Der Wohnungsbau gehört deshalb ganz oben auf die politische Agenda - genauso wie die Überwindung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus."

Hintergrund

Die Ergebnisse basieren auf einer computergestützten telefonischen Befragung (CATI) von 1.041 deutschsprachigen Personen ab 16 Jahren in Privathaushalten in Deutschland. Die Auswahl der Zielpersonen erfolgte auf Basis einer Zufallsauswahl. Die Befragung wurde im Zeitraum von 16. Oktober bis 1. November 2019 von GMS Dr. Jung GmbH und ARIS Umfrageforschung GmbH durchgeführt.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist eine unabhängige Anlaufstelle für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Sie wurde 2006 mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eingerichtet. Sie betreibt Öffentlichkeitsarbeit und Forschung zum Thema Diskriminierung und bietet eine rechtliche Erstberatung für Menschen, die aufgrund der ethnischen Herkunft, Religion, Weltanschauung, sexuellen Identität, des Alters, einer Behinderung oder des Geschlechts benachteiligt worden sind.