Bestürzung und Mahnung nach Anschlag in Halle

Bestürzung und Mahnung nach Anschlag in Halle

Quelle: DBK-KNA / ASF / ZDM / Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

Die Kirchen in Deutschland, Religionsgemeinschaften und und weitere Institutionen haben sich nach dem antisemitischen Terroranschlag in Halle bestürzt gezeigt und vor einem Anstieg von Antisemitismus und Rassismus in Deutschland gewarnt. Wir dokumentieren hier einige Stellungnahmen von Institutionen, die auch im Ökumenischen Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche (IKW) vertreten sind (zum Teil in Auszügen). Am 22. und 23. September fand in Halle die bundesweite Eröffnung der IKW statt.   

 

Deutsche Bischofskonferenz (09.10.19):

Deutsche Bischöfe verurteilen Angriff auf Synagoge

Während des Gottesdienstes an Jom Kippur wurde eine Synagoge in Halle an der Saale angegriffen. Zwei Menschen starben. Mehrere katholische Bischöfe zeigten sich tief bestürzt.

Die deutschen Bischöfe zeigen sich tief bestürzt über den Angriff auf die Synagoge in Halle an der Saale. "Ich bin entsetzt und erschüttert über den feigen Anschlag von Halle. Unser Mitgefühl gilt den Todesopfern, ihren Angehörigen und den Verletzten", teilte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, am Mittwoch mit. Mehrere Täter hatten am Mittwoch versucht, in das jüdische Gotteshaus einzudringen. Dabei wurden mindestens zwei Passanten getötet.
"Die Täter hatten offensichtlich gezielt die Synagoge von Halle ausgesucht, um am höchsten jüdischen Feiertag Blut zu vergießen", so Marx weiter. Die Katholiken in Deutschland stünden solidarisch an der Seite der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. "Antisemitismus oder gar blinde Gewalt dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben."

Der Bischof von Magdeburg, Gerhard Feige, teilte über die bischöfliche Pressestelle mit, dass er mit tiefer Sorge von den Ereignissen in seiner Heimatsadt gehört habe: "Meine Gedanken und Gebete sind bei der Familie und den Freunden der beiden ermordeten Menschen. Auch wenn die Sachlage derzeit noch nicht geklärt ist, so lassen die Aussagen der Polizei schlimmes befürchten. Wir Katholiken des Bistums Magdeburg sind bestürzt über den versuchten Angriff auf unsere jüdischen Nachbarn und trauern mit ihnen. Es ist eine menschliche Katastrophe, dass Juden in Deutschland nicht in Frieden leben und den Versöhnungstag Jom Kippur feiern können. Ich hoffe, dass diese abscheuliche Tat konsequent aufgeklärt wird. Ich rufe Sie alle auf, einem Moment inne zu halten und für ein friedliches Miteinander in unserer Gesellschaft zu beten."

Auch der Berliner Erzbischof, Heiner Koch, verurteilte die Tat. "Es lässt mich verzweifeln, dass immer noch Juden bei uns nicht in Frieden und ohne Angst leben können. Ich stehe an der Seite unserer jüdischen Nachbarn und trauere mit ihnen", teilte er am Mittwochabend über die Pressestelle des Erzbistums mit. "Wir werden nicht zulassen, dass Hass gleich welcher Art, insbesondere aber der Hass auf das Judentum, sein Ziel erreicht, unsere Gesellschaft zu spalten", schrieb Koch zudem auf Twitter. Auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki erklärte über den Kurznachrichtendienst: "Ich bin erschüttert über die Nachrichten aus Halle. Beten wir für die Opfer und ihre Angehörigen und arbeiten wir gemeinsam daran, dass Juden in Deutschland nie wieder Angst haben müssen."

 

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (10.10.19):

Angriff auf unser demokratisches Miteinander

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste ist tief erschüttert über den rechtsextremen Anschlag, der sich am Jom Kippur in Halle ereignet hat. Dadurch, dass der rechtsextreme Täter nicht in die Synagoge eindringen konnte, wurde eine noch größere Katastrophe verhindert. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen und bei allen Jüdinnen und Juden, die sich durch den antisemitischen Angriff bedroht fühlen müssen.

Wir beobachten einen Anstieg von Antisemitismus und Rassismus in Deutschland, ebenso sinkt die Hemmschwelle für rechtsextremen Hass. Rassistische und antisemitische Hetze, die auch durch rechtspopulistische Parteien und Bewegungen verbreitet wird, bildet den Nährboden für Gewalt und Terror.

Geschäftsführerin Jutta Weduwen: "Die Ereignisse in Halle sind zutiefst schockierend und beunruhigend. Die Vorgänge zeigen das Muster von rechtsextremem Terror: der Mord in einem Döner-Imbiss und vor der Synagoge, Terror gegen Jüdinnen und Juden, Holocaustleugnung und die Inszenierung im Netz. Auch wenn der Täter die Tat allein ausgeführt haben sollte, greift er dennoch auf ein rassistisches Netzwerk und ihre Pamphlete zurück. Der Anschlag ist ein Angriff auf unser demokratisches Miteinander, das Menschen Freiheit, Würde und Teilhabe unabhängig von ihrer Religion, ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Einstellung sichern muss."

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste appelliert an die politisch Verantwortlichen, den Kampf gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus ernst zu nehmen und Menschen den Schutz zu bieten, der notwendig ist und gleichzeitig in Präventionsprogramme zu investieren. Darüber hinaus sind wir alle gefordert, einzugreifen und zu widersprechen, wenn Menschen bedroht, ausgegrenzt und beleidigt werden.

 

Zitate von Staatsministerin Annette Widmann-Mauz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (10.10.19):

"Was muss noch geschehen, damit auch der Letzte kapiert: Deutschland hat ein Rechtsextremismus-Problem! Antisemitische und muslimfeindliche Taten haben in den letzten Jahren zugenommen. Es muss endlich mehr passieren, um das zu stoppen. Es reicht nicht, „Demokratie leben!“ auf gleichem Niveau fortzusetzen – die Mittel und Anstrengungen müssen deutlich verstärkt werden. Wir brauchen nicht nur ein Klima- und Digitalkabinett, wir brauchen auch ein Sonderkabinett für Zusammenhalt und gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit. Außerdem müssen wir den Polizeischutz für Synagogen und Moscheen erhöhen."

"Eine Frau und ein Mann wurden gestern in Halle von einem Rechtsextremen ermordet. Nein: Wir gehen nicht zur Tagesordnung über. Wir demonstrieren Solidarität, überall und da, wo wir zu Hause sind."

 

Zentralrat der Muslime (11.09.19):

ZMD zum Terroranschlag in Halle - Solidarität mir der Jüdischen Gemeinde, Sicherheit für Gotteshäuser und Bekämpfung des Rechtsextremismus

Der Vorsitzende des Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman A. Mazyek, drückte bei seinen Besuchen nach dem antisemitischen Anschlag in Halle in der Neuen Synagoge in Berlin noch am gleichen Tag und gestern in der Synagoge in Halle seine Solidarität und Anteilnahme gegenüber den jüdischen Gemeinden Deutschlands aus. "Wir lassen in diesen schweren Stunden unsere jüdischen Geschwister nicht alleine, wir halten zusammen und werden keinen Millimeter gegenüber dem rechten Terror zurückweichen", sagte Mazyek. Er besuchte zudem gestern auch den Imbissbesitzer in Halle, wo der Terrorist einen weiteren Deutschen erschoss, nachdem er zuvor eine Frau vor der Synagoge willkürlich tötete, nachdem er nicht in die Synagoge eindringen konnte, um ein Blutbad anzurichten.

Der Terror in Halle erinnert stark an rechte Terroranschläge der jüngsten Vergangenheit in der westlichen Welt (Christchurch, Pitzburg u. a.): Symbole jüdischen bzw. muslimischen Lebens als Anschlagsziele werden gewählt, militärische Bewaffnung und Montur nebst Helmkameras für perfide Livestreams und krude Manifeste, welche nur so vor Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit strotzen.
Heute, zum muslimischen Freitagsgebet, werden viele Muslime in den Moscheen des ZMD für die Opfer des Terroranschlages in Halle beten, zur Solidarität mit der jüdischen Gemeinde unseres Landes aufgerufen und ihr Mitgefühl und Anteilnahme mit den Hinterbliebenen der Opfer Ausdruck verleihen. Hierzu sagte Mazyek weiter: "Es dürfen keine Anschläge mehr wie in Halle passieren, es dürfen nicht noch mehr Menschenleben zum Opfer des Terrors fallen. Der Staat muss sich wehrhaft zeigen, für die Sicherheit seiner Bürger sorgen, für die Sicherheit der Gotteshäuser sorgen und die Unversehrtheit alle Religionsgemeinschaften gewährleisten und schützen."

Der ZMD bekräftigte dabei seine Forderung, dass der Staat den Schutz aller Gotteshäuser, auch der Moscheen gewährleisten muss. Mazyek weiter: "Unsere Kinder, unsere Familien und unsere Gemeinden leben in Angst. Viele gehen deshalb nicht mehr in ihre Moscheen. Allein in Halle war unsere Gemeinde mehrfach Angriffsziel von Anschlägen in den letzten Jahren, es wurde gar zweimal auf sie geschossen. In Punkto Sicherheit ist danach nichts geschehen." 

Nach dem Terroranschlag in Christchurch hat der Berliner Innensenator angeordnet, zum Freitagsgebet Polizeistreifen von den größeren Moscheen zu platzieren. "Wir haben das damals als einen ersten und wichtigen Schritt begrüßt, andere Bundesländer müssten jetzt in diese Richtung schnell nachziehen" so Mazyek weiter. Seit Monaten bekommen Moscheen Bombendrohungen, seit Jahren steigt die Zahl der Anschläge auf Moscheen stetig, ganz zu schweigen von den Morddrohungen gegen muslimische Repräsentanten. Die seit erst zwei Jahren erfassten Daten über Vorfälle muslimfeindlicher Straftaten bestätigen dieses erschreckende Bild.

Zudem muss der Anschlag von Halle in einem globalen rechtsterroristischen Kontext eingeordnet werden. Von Andres Breiviks zweifachem Terroranschlag in Oslo, über den Anschlag auf die Al-Nur-Moschee in Christchurch, den Anschlag auf die Synagoge in Pittsburgh, den in Poway auf ein Einkaufzentrum in Al-Paso, wo der Täter ein krudes antimuslimisches Manifest hinterließ bis zu dem versuchten Terroranschlag auf die Moschee in Oslo nach dem Vorbild Neuseelands und den rechtsextremistischen Mord an Kassels Politiker Lübcke. "Wer dies leugnet, handelt nicht grob fahrlässig, sondern vorsätzlich. Halle ist eine Katastrophe mit lange vorangegangen Ansagen: Dem ‚NaziSpeech‘ im bürgerlichen Gewande, dem vorherrschenden Antisemitismus und der Muslimfeindlichkeit, dem Rassismus gepaart mit rechtsextremistischer Gewalt. Dies muss nun spätestens nach Halle allen klar sein", so der Zentralratsvorsitzende abschließend.