"Wir versuchen, von hier aus so gut wie möglich zu helfen"

Iryna Savchenko (l.) mit Hamado Dipam vom Vorstand des "Netzwerks Rassismus- und Diskriminierungsfreies Bayern" sowie Villy Wiegel, der Vorsitzenden des Ansbacher Integrationsbeirates. Foto: Victoria Reientenko
"Wir versuchen, von hier aus so gut wie möglich zu helfen"
Iryna Savchenko spricht über die Interkulturelle Woche in Ansbach – und berichtet, wie der Krieg gegen die Ukraine ihre Arbeit als Integrationsbeauftragte verändert hat
Steffen Blatt

Iryna Savchenko ist Integrationsbeauftragte in Ansbach, einer Stadt mit rund 41.000 Einwohnern in Mittelfranken. Dort koordiniert sie auch die Aktivitäten der Interkulturellen Woche, die dort 2023 bereits zum 30. Mal stattfindet. Geboren und aufgewachsen ist sie in der Ukraine, in der Nähe der Stadt Dnipro, wo sie auch studiert hat. Savchenko unterrichtete dort in einer Oberschule Biologie und Chemie, 2001 übersiedelte sie mit ihren beiden Kindern nach Deutschland. Ihre erste Station war Ansbach, wo sie seitdem wohnt und heimisch geworden ist. Im Interview berichtet Savchenko, wie sie den Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine erlebt hat und wie die Ankunft von Geflüchteten aus der Ukraine ihre Arbeit – und das Programm der Interkulturellen Woche – beeinflusst hat.

Frau Savchenko, am 24. Februar 2023 hat sich der Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zum ersten Mal gejährt. Wie haben Sie diesen Tag vor einem Jahr erlebt?
Das war wie bei allen ein ganz großer Schock für mich. Ich habe morgens um halb sechs vom Beginn des Krieges erfahren, noch bevor die offiziellen Meldungen kamen. Eine junge Ukrainerin, die auch in Ansbach lebt, rief mich an. Sie weinte und erzählte, dass ihr Vater in Kiew ist und dass die Stadt angegriffen wird. 

"Man kann nicht nachfühlen, wie es den Menschen in der Ukraine gerade geht, wenn man nie in einer solchen Situation war.“

Haben Sie Kontakt zu Verwandten oder Freunden in der Ukraine?  Was hören Sie von dort?
Natürlich ist die Lage sehr schwierig. Man kann nicht nachfühlen, wie es den Menschen in der Ukraine gerade geht, wenn man nie in einer solchen Situation war. Ich habe kürzlich mit meinem Cousin telefoniert, der in Dnipro wohnt. Plötzlich musste er Schluss machen, weil die Sirenen vor einem Angriff gewarnt haben – und das ist keine Stadt an der Front. Es fällt schwer, einfach nur „Wie geht es Dir?“ zu fragen. Wir versuchen, von hier aus so gut wie möglich zu helfen.

Seit Beginn des Krieges kamen viele Geflüchtete aus der Ukraine nach Deutschland. Was heißt das für Ihre Arbeit als Integrationsbeauftragte in Ansbach, gerade mit Blick auf Unterbringung und Integration?
2016 kamen viele Kriegsflüchtlinge aus Syrien nach Ansbach. Damals haben wir Erfahrungen gesammelt, die uns jetzt helfen. Die ersten Menschen aus der Ukraine kamen bei uns im März 2022 an. Wir konnten bei der Arbeit mit den Geflüchteten unter anderem auf unseren städtischen Bildungsvermittlungspool zurückgreifen, den es seit 2019 gibt. Darüber konnten wir zum Beispiel Übersetzer*innen vermitteln. Auch die Unterstützung der Bevölkerung war groß – auf den städtischen Aufruf hin haben viele Ansbacherinnen und Ansbacher Wohnungen zur Verfügung gestellt. Zudem hat die Stadt schnell je eine Kollegin für die Wohnungssuche eingestellt. Durch den Integrationsbeirat mit gewählten und beratenden Personen haben wir zusätzlich gute Kontakte in die unterschiedlichen Communitys und in verschiedene Institutionen. Diese Strukturen haben uns bei der Aufnahme der neu angekommenen Menschen aus der Ukraine sehr geholfen.

"Durch die Veranstaltungen im Rahmen der IKW bekommen die Geflüchteten mit, wie bunt und vielfältig Deutschland ist und dass sie ein Teil dieser Vielfalt sind."

Beim Ukraine-Abend in Ansbach trat eine Gesangsgruppe auf, die ukrainische Lieder vortrug - und in der Iryna Savchenko selbst mitsingt. Foto: Victoria Reientenko

Auf das Programm der Interkulturellen Woche 2022 hatte die neue Situation einen direkten Einfluss – Sie haben einen ukrainischen Kulturabend veranstaltet.
Das hat seinen Ursprung im Jahr 2014 – denn eigentlich hat der Krieg gegen die Ukraine damals schon mit der Besetzung der Krim begonnen. Es kamen auch Geflüchtete nach Ansbach, von denen die allermeisten aber wieder zurückgekehrt sind. Aber wir haben damals eine Gesangsgruppe gegründet, bei der ich selbst mitmache, und zu einer der folgenden Interkulturellen Wochen einen Ukraine-Tag veranstaltet. Seit 2018 ist das "Festival der Kulturen" die Hauptveranstaltung unserer IKW, und auch dort ist die Gruppe aufgetreten. Mit ihr konnten wir dann 2022 den Kulturabend veranstalten, der sehr gut angekommen ist. Es wurden ukrainische Lieder vorgetragen, die Menschen im Publikum waren sehr gerührt und haben mitgesungen.

Ukraine-Deko
Dekoration beim Ukrainischen Abend. Foto: Victoria Reientenko

Wie kann die Interkulturelle Woche generell einen Beitrag leisten, den Geflüchteten aus der Ukraine das Ankommen und das Leben in Deutschland zu erleichtern?
Durch die Veranstaltungen im Rahmen der IKW bekommen die Geflüchteten – nicht nur die aus der Ukraine – mit, wie bunt und vielfältig Deutschland ist und dass sie ein Teil dieser Vielfalt sind. Bei unserem „Festival der Kulturen“ sind viele verschiedene Communitys vertreten und können miteinander und mit den Geflüchteten in Kontakt treten. Das war ein tolles Erlebnis für die neu Angekommenen – weil sie gemerkt haben, dass sie nicht allein sind.

Gibt es in Ansbach auch eine russischsprachige Community?
Es gibt die "Landsmannschaft der Deutschen aus Russland", die sich ebenfalls am „Festival der Kulturen“ mit einem Workshop für Kinder, einem Bühnenbeitrag und am internationalen Büffet beteiligt hat – und es hat wunderbar funktioniert, obwohl die Meinungen zum Krieg zum Teil unterschiedlich sind. Wir betonen bei unserem Festival die Vielfalt der Nationen. So hat etwa nicht jedes Land die eigene Flagge über dem jeweiligen Stand hängen, sondern wir dekorieren Ketten mit vielen Fahnen. Das soll ein Zeichen sein, dass alle zusammen etwas machen. So gibt es zum Beispiel auch Spezialitäten der jüdischen und der palästinensischen Küche bei uns.

"Wichtig ist auch, dass die Organisation der IKW in städtische Strukturen eingebunden ist und nicht so sehr an Einzelpersonen hängt."

In diesem Jahr feiert Ansbach zum 30. Mal die Interkulturelle Woche. Haben Sie zu diesem Anlass besondere Veranstaltungen geplant?
Wir warten immer erst auf die Materialien, die der Ökumenische Vorbereitungsausschuss herausgibt, und wir sind auch Stammgäste bei der Vorbereitungstagung – das ist immer sehr hilfreich für uns. Nach unserem ersten Planungstreffen stehen einige Programmpunkte schon fest: So veranstalten wir wieder das "Festival der Kulturen" – und einen Ukrainischen Abend.

Kommendes Jahr steht dann schon das nächste Jubiläum an.
Dann feiert unser Integrationsbeirat 30-jähriges Bestehen. Die Interkulturelle Woche, die ein Jahr früher zum ersten Mal in Ansbach stattfand, hat damals den Impuls zur Gründung des Gremiums gegeben, der in den ersten Jahren noch Ausländerbeirat hieß.

Wie schafft man es, eine Interkulturelle Woche über so viele Jahre aufrechtzuerhalten?
Veranstalter der IKW in Ansbach ist der Integrationsbeirat der Stadt. Dessen Mitglieder sind Multiplikator*innen in die verschiedenen Communitys hinein. Wenn neue Leute in den Beirat hineinkommen, haben sie auch neue Ideen für die IKW. Gleichzeitig gibt es Mitglieder, die schon lange dabei sind und Erfahrung haben. Wichtig ist auch, dass die Organisation in städtische Strukturen eingebunden ist und nicht so sehr an Einzelpersonen hängt. 

Welche Tipps haben Sie für Organisierende, die ganz neu mit einer IKW starten möchten?
Man muss ein gutes Netzwerk aufbauen. Denn nur so erfahren genügend Menschen von der Interkulturellen Woche und können auch motiviert werden, sich einzubringen. Bei den Planungen sollte man gerade zu Beginn realistisch bleiben und lieber erst einmal klein anfangen. Man kann auch versuchen, an eine Partnerorganisation anzudocken, die bereits Erfahrung mit Veranstaltungen wie der IKW hat. Und ein gewisses Budget braucht man eben auch. Da hilft es natürlich, wenn die Stadt mitfinanziert.

Weitere Informationen

Steffen Blatt
Foto: Nils Bornemann / ÖVA

Steffen Blatt hat Politische Wissenschaft studiert und war über zehn Jahre lang Redakteur bei einer Tageszeitung. Seit 2018 ist er Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Ökumenischen Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche.

Kontakt: s.blatt@interkulturellewoche.de