Ein Gebet für die Gottesmenschenkinder in Flüchtlingslagern

Ein Gebet für die Gottesmenschenkinder in Flüchtlingslagern
Insbesondere in Lipa besteht durch Minusgrade akute Gefahr für mehrere hundert Menschen, die sich in dem aufgegebenen, ausgebrannten Lager rund 25 Kilo südöstlich von Bihać befinden

Für die Gottesmenschenkinder in Kara Tepe, in Lipa und den anderen Lagern an den europäischen Außengrenzen hat EKD-Oberkirchenrätin  Sabine Dreßler ein Gebet verfasst. Insbesondere in Lipa besteht durch Minusgrade akute Gefahr für mehrere hundert Menschen, die sich in dem aufgegebenen, ausgebrannten Lager rund 25 Kilometer südöstlich von Bihać befinden.

Sabine Dreßler ist als Oberkirchenrätin bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Menschenrechte, Migration und Integration zuständig. Außerdem ist sie Mitglied im Ökumenischen Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche.

In alten Legenden heißt es,
das Christuskind sei zwar arm in einem Stall geboren
und in einer Futterkrippe auf Stroh gebettet worden,
aber warm sei es trotzdem gewesen.
Es gab ja die Tiere: Ochse und Esel,
manchmal auch eine Katze und sogar eine Maus.
Ochs und Esel, so sagt man,
seien ganz dicht an die Krippe herangekommen,
sogar niedergekniet hätten sie
und das Neugeborene mit ihrem Atem gewärmt.
Die Katze hätte sanft geschnurrt
und eine große Ruhe verbreitet.
Die Maus hätte das Kind am kleinen Zeh gekitzelt,
sodass es zum ersten Mal lächeln musste.
Und über dieses Lächeln des Christuskindes
wurden alle froh.

Christuskind, Gotteskind, arm im Stall geboren –
wie wurdest Du erwartet und geliebt!

Geschichten von heute erzählen etwas Anderes von Dir:
Dein Bett sind Lumpen und Papier,
vergeblicher Schutz gegen die Feuchtigkeit.
Kein festes Dach hast Du,
und unter der abgerissenen Zeltplane ist es bitterkalt.
Auch hier gibt es Tiere,
aber sie kommen nicht, um Dich zu wärmen,
und nicht, um mit Dir zu spielen.
Deine ersten Begegnungen sind die
mit Läusen und Ratten.
Kein Kitzeln am kleinen Zeh macht dich lachen,
vielmehr geht Dir ein tödlicher Biss ans Leben,
das so klein und ungeschützt ist.
Dein Schreien dringt nach draußen,
aber wir wollen Deine Stimme nicht hören.
Und alle bei Dir sind in furchtbarer Angst.

Christuskind, Gotteskind, arm im Lager geboren –
wie bist Du verachtet und ungewollt!

Darum bitten wir Dich, Gott:
Lass uns wieder zu Menschen deines Wohlgefallens werden!
Jetzt, sofort, heute!
Indem wir die Gottesmenschenkinder
aus den Lagern holen, die Kleinen, die Großen.
Weil wir Christus erkennen in denen da draußen.
Und damit Dir die Ehre geben.

Amen