Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
Nur sieben Prozent der Geflüchteten senden Geld ins Ausland – Tendenz sinkend. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, basierend auf repräsentativen Haushaltsbefragungen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), die erstmals die Auslandsüberweisungen von Migrant*innen mit und ohne Fluchthintergrund über die Jahre seit 2013 untersucht hat. Anlass für diese Auswertung war auch die scharfe politische Debatte über Geldüberweisungen von Geflüchteten in ihre Heimat, die im vergangenen Jahr zur Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber*innen führte.
"Die Vorstellung, dass Geflüchtete, die auf Grundsicherung angewiesen sind, in großem Umfang Geld ins Ausland schicken, entbehrt jeder empirischen Grundlage".
Sabine Zinn, kommissarische Direktorin des SOEP
Interview mit Studienautorin Adriana Cardozo
Laut Daten der Bundesbank haben die jährlichen Auslandsüberweisungen inzwischen die Höhe von 22 Milliarden Euro jährlich erreicht. Dabei wird jedoch nicht unterschieden, ob diese Überweisungen von Migrant*innen, Nicht-Migrant*innen oder Geflüchteten getätigt werden. Mit den Haushaltsbefragungen des SOEP inklusive der Migrations- und Geflüchtetenstichproben, die gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vorgenommen werden, wird erstmals untersucht, wie häufig die jeweiligen Gruppen aus privaten Gründen Geld ins Ausland überweisen. Demnach ist der Anteil der Geflüchteten, die Geld ins Ausland senden, seit 2012 von 13 auf sieben Prozent gesunken, während er bei Migrant*innen von acht auf zwölf Prozent gestiegen ist. "Die politische Debatte spiegelt also überhaupt nicht die Realität wider", schlussfolgert Studienautorin Adriana R. Cardozo Silva, wissenschaftliche Mitarbeiterin des SOEP. Und Sabine Zinn, kommissarische Direktorin des SOEP, ergänzt: "Die Vorstellung, dass Geflüchtete, die auf Grundsicherung angewiesen sind, in großem Umfang Geld ins Ausland schicken, entbehrt jeder empirischen Grundlage."
Auslandsüberweisungen sind wichtiges Mittel zur Armutsbekämpfung
Was sich an den Daten auch zeigt, ist, dass Geflüchtete eine um 2,7 Prozentpunkte geringere Wahrscheinlichkeit haben, Geld ins Ausland zu überweisen, als Deutsche ohne Migrationshintergrund. Denn auch diese tätigen Auslandsüberweisungen. Deutlich zeigt sich an den Berechnungen zudem, dass die Familiensituation und die Rückkehrabsicht die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, dass Migrant*innen Geld ins Ausland überweisen: Mit der Anzahl der Kinder im Haushalt und mit der Absicht, längerfristig in Deutschland zu bleiben, sinkt diese Wahrscheinlichkeit.
"Dass Migrant*innen ihre Familien in den Herkunftsländern unterstützen, ist eine Handlung, die ihr Recht widerspiegelt, frei über ihr Einkommen zu verfügen – unabhängig davon, wo ihre Angehörigen leben"
Adriana Cardozo Silva, Studienautorin
"Bei all diesen Diskussionen, auch über die Bezahlkarte, sollte die Tatsache mehr in den Fokus genommen werden, dass Auslandsüberweisungen ein wichtiges Mittel zur Armutsbekämpfung sind", fordert Zinn. Und Studienautorin Cardozo Silva ergänzt: "Migrantenüberweisungen ins Ausland gelten als treibende Kraft zur Förderung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Vereinten Nationen, da sie die Lebensbedingungen von Familien und Gemeinschaften verbessern. Dass Migrant:innen ihre Familien in den Herkunftsländern unterstützen, ist eine Handlung, die dem SDG-Rahmen entspricht und ihr Recht widerspiegelt, frei über ihr Einkommen zu verfügen – unabhängig davon, wo ihre Angehörigen leben."