"Es gibt kein jüdisches Puppentheater in Deutschland." Das war vor sieben Jahren die Motivation für Shlomit Tulgan, genau ein solches zu gründen. Seitdem spielt sie mit ihrer Truppe "Bubales" Stücke zur Rolle der Tiere im Judentum, zum Lichterfest Chanukka, erzählt zum Purim-Fest die Geschichte von Königin Esther – und hat seit vergangenem Jahr auch das Stück "Isaak und der Elefant Abul Abbas" im Repertoire. Das Besondere: Die Produktion entstand in Zusammenarbeit mit syrischen Künstler*innen und wird in deutscher und arabischer Sprache aufgeführt. Erzählt wird eine (fast) wahre Geschichte aus dem Mittelalter: Der jüdische Handelsmann Isaak soll einen weißen Elefanten namens Abul Abbas von Bagdad nach Aachen bringen und bei König Karl dem Großen abliefern. Die gefährliche Reise dauert fast zwei Jahre. Werden die beiden es bis nach Deutschland schaffen?
Damit zielt das Puppentheater nicht nur auf jüdische Familien, sondern auch auf muslimische – und eigentlich auf alle, egal welcher Religion sie angehören. Das war von Beginn an schon so. Shlomit Tulgan arbeitet im Jüdischen Museum Berlin und war 2012 für die Kinderprogramme zuständig. Dabei hörte sie von jüdischen Familien immer wieder, dass es zwar viele Puppentheaterstücke etwa zur christlichen Weihnachtsgeschichte gebe, aber zum Beispiel keine zu Chanukka. Das muss sich ändern, dachte sie sich, tat sich mit jüdischen Laien-Puppenspieler*innen und Profis zusammen und produzierte das erste jüdische Puppentheaterstück in Deutschland nach 70 Jahren. Die ersten sechs Vorstellungen im Jüdischen Museum waren ein voller Erfolg – ausverkauft. Kurze Zeit später gründete sie, unabhängig vom Jüdischen Museum Berlin, das Jüdische Puppentheater "Bubales".
"Der erste Kontakt mit der jüdischen Kultur verläuft für die meisten Menschen immer noch über die Shoah. Wir wollten diesen Kontakt auf eine andere Ebene holen", erklärt Tulgan. Das klappt gut mit Puppen, Musik, Humor – und einem multikulturellen Cast. So treten in den Stücken oft dieselben Charaktere auf, etwa der Junge Shlomo mit seinem Schaf Mendel – und deren Freundin Aische.
Die Besetzung der "Bubales"-Truppe ist immer etwas im Fluss: Es gibt ein Kernteam um Tulgan und Lewis Tripp, der vor allem für die Technik und administrativen Aufgaben zuständig ist, und einigen weiteren Stammkräften, andere Mitwirkende wechseln. Das sei aber kein Problem, versichert Tulgan. Ihr kommt dabei zugute, dass sie Kontakte zu den unterschiedlichsten Communities in Berlin und darüber hinaus hat. Ihre Eltern sind türkische Juden, die in den 1960er Jahren von Istanbul in die Bundesrepublik kamen. Weil sie danach als Zeitungskorrespondenten in Osteuropa arbeiteten, spricht Tulgan auch Russisch und Tschechisch. Als sie in der Vorbereitung für "Isaak und der Elefant Abul Abbas" syrische Künstler nach einer Zusammenarbeit fragte, seien die sofort "Feuer und Flamme" gewesen.
Von den Reaktionen auf das aktuelle Stück war Tulgan sogar etwas überrascht: "Es kommt bisher gut an. Ich habe eigentlich mit mehr antisemitischen Störungen gerechnet." Stattdessen berichtet sie von einem "magischen Abend" im türkischen Theater "Tiyatrom" in Berlin-Kreuzberg, wo sie vor 250 Besuchern spielten und sich ganze Familien im Anschluss mit den Puppen fotografieren ließen.
Das "Bubales"-Puppentheater ist für alle Beteiligten eine Nebenbeschäftigung, Geld verdienen sie damit eigentlich nicht wirklich. "Die Einnahmen stecken wir größtenteils in Reparaturen. Der hohe Verschleiß liegt daran, dass wir ständig auf Reisen sind, um bei den Organisationen, direkt vor Ort aufzutreten. Unsere Puppen sind echte Wander-Juden und -Jüdinnen!" so Tulgan. Wer die Truppe buchen will, kann sich bei Bubales über die Preise informieren. Für Non-Profit-Organisationen, die sich für Geflüchtete und arabische Familien einsetzen, gibt es finanzielle Förderung.