Für die Menschen, die an der Grenze zwischen Belarus und Polen ausharren, hat Oberkirchenrätin Sabine Dreßler ein Gebet verfasst. Sie ist bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Menschenrechte, Migration und Integration zuständig. Außerdem ist sie Mitglied im Ökumenischen Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche.
Gebet für die im Grenzland
Jeden, aber auch jeden Halm der Hoffnung hätte ich ergriffen,
um dem Elend, der Folter zu entkommen.
Und in dieser Hoffnung auch jedem vertraut,
der mir ein anderes Leben versprochen hätte,
nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Jeder Halm der Hoffnung wäre mir recht gewesen,
weil ich noch nicht hätte sterben wollen,
weil ich glaube, dass da noch was kommt
und dass auch ich ein Recht hätte, auf der Welt zu sein.
Macht es mich zu einem schlechten Menschen, des Lebens nicht wert,
weil ich zum Spielball der Mächtigen geworden bin?
Wäre es so falsch, Gott, dass ich die Hoffnung nicht aufgebe?
Hätte ich Dich so missverstanden, als Du mich ins Leben gehaucht
und mich segnetest für die Zukunft?
Gott, wenn, dann weißt Du, was ich getan hätte.
Aber ich muss nicht im Grenzland ums nackte Leben kämpfen,
ich ahne nur, wie kalt es dort ist
und wie weh der Stacheldraht den bloßen Händen tut.
Bitte, Gott, lass uns nicht zu Komplizen von Menschenschändern werden,
die das Recht brechen und verlachen.
Die da draußen brauchen Dich und Deine Nähe, um die Nacht zu überleben.
Sie brauchen Menschen, die ihnen Brot und Liebe bringen
und solche, die sie herausholen und hereinlassen.
Gott, segne Du, was gut und recht ist.
Amen
Sabine Dreßler