Interkulturelle Woche 2024 mit Open-Air-Gottesdienst eröffnet

Mit einem "Fest der Vielfalt" und einem ökumenischen Gottesdienst in Saarbrücken ist die Interkulturelle Woche 2024 eröffnet worden. Foto: ÖVA
Interkulturelle Woche 2024 mit Open-Air-Gottesdienst eröffnet

Feierlichkeiten zum offiziellen Start der bundesweiten Aktionswoche in diesem Jahr in Saarbrücken – Warnungen vor Bedrohungen für die Zivilgesellschaft

Mit einem ökumenischen Gottesdienst unter freiem Himmel sowie einem "Fest der Vielfalt" mit buntem Bühnenprogramm ist am 21. September in Saarbrücken die Interkulturelle Woche (IKW) 2024 eröffnet worden. Der Auftakt in der saarländischen Landeshauptstadt war der offizielle Start für die bundesweite Aktionswoche. Bis zum 29. September – und an vielen Orten auch noch darüber hinaus – werden in fast 700 Städten, Gemeinden und Landkreisen rund 5000 Veranstaltungen stattfinden – damit ist die IKW eine der größten zivilgesellschaftlichen Initiativen in Deutschland, die sich für Vielfalt, Menschenrechte und das gemeinsame Zusammenleben aller Menschen einsetzt.

Dr. Beate Sträter, die Vorsitzende des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses zur Interkulturellen Woche, verwies in ihrem Grußwort darauf, dass die IKW nicht nur in Großstädten, sondern auch in kleineren Orten und ländlichen Regionen stattfinde, besonders auch im Osten Deutschlands – und auf die Gefahren, denen auch Organisierende der IKW zum Teil ausgesetzt seien. "Gerade aus den ostdeutschen Bundesländern, aber sicher nicht nur von dort, wird seit Jahren von einer nicht abreißenden Kette rassistischer Übergriffe berichtet, von Gewalt gegen Menschen, die sich politisch gegen Rechts und für Vielfalt engagieren. Strukturen der Zivilgesellschaft werden in einer Art und Weise bedroht, die fassungslos machen", sagte Sträter. Sie nannte als Beispiel das sächsische Bautzen, wo der Kreistag auf Antrag der AfD im August dieses Jahres die Stelle des Ausländerbeauftragten gestrichen hat. Eben diese Ausländer- oder Integrationsbeauftragten sind es, die in vielen Städten und Landkreisen die lokale IKW koordinieren.

Sträter weiter: "Es darf nicht sein, dass wir uns daran gewöhnen, es darf nicht sein, dass sich die Menschen in Deutschland an die menschenverachtenden Reden und Parolen gewöhnen, dass es normal wird, eine rechtsextreme Partei zu wählen, dass es straffrei bleibt, Menschen zu bedrohen und anzugreifen. Es ist schockierend, dass viele Menschen sich fragen, wie lange sie noch sicher in Deutschland leben können und welche Alternativen es für sie gibt. Aber wir dürfen nicht die vielen vergessen, die damit nicht einverstanden sind und die immer noch die Mehrheit sind. Alle Menschen, die sich für ein friedliches Zusammenleben einsetzen, verdienen unseren besonderen Respekt, brauchen Schutz und Unterstützung."

Wie Vielfalt gelebt und gestaltet werden kann, zeigte das "Fest der Vielfalt" in Saarbrücken. Auf dem Tbilisser Platz vor dem Staatstheater präsentierten sich zahlreiche Vereine, Initiativen und Gruppen mit Mitmach-Aktionen und Informationen. Dialogformate wie Speeddatings mit Mitgliedern des Interreligiösen Dialogs und mit Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl des Integrationsbeirats luden zum Gespräch ein, die "Kolping Roadshow" war mit einem Mitmach-Mobil zu den Themen Flucht und Integration vor Ort. das bunte Bühnenprogramm gestalteten Musiker, Bands und Theatergruppen.

Oberbürgermeister Uwe Conradt betonte in seinem Grußwort, dass die Grenze zum nahen Nachbarn Frankreich Menschen nicht renne, sondern sie verbinde. Grenzkontrollen, wie sie jetzt wieder eingeführt wurden, belasteten darum nicht nur die Wirtschaft – "sie sind auch ein Problem für das Vertrauen zwischen Nationen". Er plädierte dafür, Vielfalt nicht als Gefahr, sondern als Chance zu begreifen. "Die einzige Möglichkeit, Ängsten zu begegnen, ist, in den Dialog zu treten."

Bettina Altesleben, Staatsekretärin im Landesministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit, lenkte den Blick auf die Geschichte des Saarlandes als eine Region, die von Krieg, Grenzen und Trennung geprägt gewesen sei. „Durch Versöhnung ist ein ganz neuer Raum entstanden. Ich hoffe, dass sich solches auch woanders in der Welt wiederholt.“  

TV-Bericht des Saarländischen Rundfunks zum IKW-Auftakt

Der stimmungsvolle ökumenische Gottesdienst bildete den Abschluss des Tages. Er stand wie die gesamte Interkulturelle Woche unter dem Motto "Neue Räume" und wurde unter anderem gestaltet vom Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann, vom Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Thorsten Latzel, dem griechisch-orthodoxen Bischof Emmanuel von Christoupolis, sowie von Pastor Konstantin von Abendroth von der Vereinigung Evangelischer Freikirchen. Für den gelungenen musikalischen Rahmen sorgten der Gospelchor Saarbrücken, der Chor der frankophonen Gemeinde, Daria Kolodziej, die Kantorin der polnisch-sprachigen katholischen Gemeinde und ein Ensemble der Ukrainefreunde Saar.

Bischof Ackermann bezog sich in seinem geistlichen Impuls auf das IKW-Motto "Neue Räume" und die Abrahamsverheißung im Alten Testament. In dieser verspricht Gott Abraham ein Land, in dem er und seine Nachkommen in Frieden leben und sich frei entfalten können. Doch zuvor muss sein Volk Fremdheit, Unterdrückung und Ungerechtigkeit erdulden. "Das lehrt uns meines Erachtens zwei Dinge: Erstens, 'Neue Räume' sind nicht aus sich heraus schon schön und gut, sondern es ist notwendig, diese auch zu gestalten. Gottes Zusage begleitet dabei den Menschen, ersetzt aber nicht die eigene Verantwortung. Und zweitens, 'Neue Räume' zu schaffen bedeutet nicht, Geschichte ungeschehen machen zu können oder gar auslöschen zu können. Unser Auftrag ist es, Räume zu eröffnen, in denen Menschen mit ihren Lebensgeschichten, mit ihren leidvollen Erfahrungen, mit ihren Stärken und Schwächen einen Platz haben."

Präses Latzel stellte Psalm 31 in den Mittelpunkt seines Impulses und hier vor allem den Satz "Du stellst meine Füße auf weiten Raum" – für Latzel ein Rezept gegen den Fatalismus, der sich angesichts des täglichen "Katastrophen-Krisen-Cocktails" ausbreiten könne. "Genau das brauchen wir. Neue, weite Räume. Und wir brauchen Hoffnungs-Geschichten, die Mut machen, sich in diese neuen, weiten Räume aufzumachen. Das ist das Wunder: Wenn aus Angst Hoffnung wird, aus Tod neues Leben, aus Enge weiter Raum. Wie dies geschieht? Ich weiß es nicht. Das ist Gottes Sache. Aber ich vertraue darauf, dass Gott es kann und tut. Und dann ist es an mir zu gehen. Hinaus in den weiten Raum. Einfach mal machen. Losmarschieren. Über kulturelle, sprachliche, moralische Grenzen hinweg. Hin zu meinen Mitmenschen, die mir von Gott geschenkt sind."

Mit sehr persönlichen Worten beschrieb Bischof Emmanuel die immense Bedeutung der Gastfreundschaft, die im alten Griechenland zur "heiligen Institution" erwachsen sei. Gastfreundlich zu sein schaffe neue Räume. Die Bereitschaft dazu aber entspringe im Herzen. Auch wenn seiner Erfahrung nach manch einer noch eine Lektion in Sachen Gastfreundschaft benötige, sei er zuversichtlich, denn "der Herr ermuntert uns, Vorbilder zu sein".

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