Quelle: DeZIM
Das Vertrauen in die Bundesregierung und in die Politiker:innen ist in den vergangenen Jahren spürbar gesunken. Ein neues Data.insight zeigt nun, dass dies besonders bei muslimischen Menschen der Fall ist – fast zwei Drittel vertrauen Politiker:innen nicht mehr.
Das belegt das aktuelle Data.insight "Demokratie unter Druck: Wie sich Vertrauen in die Politik verändert" des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM).
Der NaDiRa untersucht Ursachen, Ausmaß und Folgen von Diskriminierung und Rassismus in Deutschland und erhebt regelmäßig dazu Daten. Zwischen 2022 und 2024 wurden mithilfe des NaDiRa.panels Daten zum Vertrauen verschiedener Bevölkerungsgruppen in die Bundesregierung und Politiker:innen erhoben und nun ausgewertet. In der ersten Befragungswelle (2022) wurden rund 20 000 Personen und in der fünften Welle (2024) rund 8 000 Personen befragt.
Neben politisch bedeutsamen Ereignissen im In- und Ausland fiel in diese Phase auch die Zeit der Ampelregierung, die Ende 2021 mit dem Ziel antrat, Vielfalt zu fördern und Migration zukunftsorientiert zu gestalten. Mit ihrem vorzeitigen Ende rücken nun restriktive Migrationspolitik, Stigmatisierung und Kriminalisierung rassistisch markierter Menschen in den Fokus öffentlicher Debatten.
Zentrale Ergebnisse der Studie
• Das Vertrauen der allgemeinen Bevölkerung in die Bundesregierung und in Politiker:innen ist insgesamt niedrig bis mäßig ausgeprägt. Die Bundesregierung genießt dabei tendenziell mehr Vertrauen als Politiker:innen im Allgemeinen.
• 2022 hatten rassistisch markierte Menschen im Vergleich zu nicht rassistisch markierten Menschen noch etwas mehr Vertrauen in Politiker:innen. Zwei Jahre später ist dieser Unterschied weitgehend verschwunden.
• Zwischen 2022 und 2024 ist das Vertrauen sowohl in die Bundesregierung als auch in Politiker:innen allgemein gesunken.
• Unter Muslim:innen ist der Vertrauensverlust in den letzten zwei Jahren am größten. Während 2022 etwas mehr als die Hälfte der Befragten (51 %) in dieser Gruppe den Politiker:innen ein geringes Maß an Vertrauen entgegenbrachte, sind es 2024 nun fast zwei Drittel (64 %), die ein geringes Vertrauen gegenüber Politiker:innen äußerten. 2024 weist die muslimische Gruppe unter allen rassistisch markierten Gruppen den niedrigsten Vertrauenswert auf.
Vertrauensverluste schwächen die Demokratie
Aktuelle politische und gesellschaftliche Debatten um das Thema Migration gehen einher mit einer Zunahme von antisemitischen und antimuslimischen Straftaten und könnten das Vertrauen in die Bundesregierung und Politiker:innen schwächen.
Die Zunahme an migrationsfeindlichen Narrativen in den öffentlichen Debatten verschieben den politischen Diskurs nach rechts, der rassistische, antimuslimische sowie geflüchtetenfeindliche Debatten verstärkt. Besonders betroffen sind rassistisch markierte Menschen, die sich zunehmender Bedrohungen ausgesetzt sehen.
Ein erst im Januar erschienes DeZIM Data.insight (Jacobsen et al. 2025) belegt, dass neben Wirtschaft, Inflation, Migration, auch sozialer Zusammenhalt und Vertrauen in die Politik drängende politische Probleme in Deutschland für Wähler:innen mit Migrationshintergrund sind. Zudem belegen die Daten, dass Menschen mit Migrationshintergrund politischen Parteien im Bundestag bei zentralen gesellschaftlichen Fragen häufig weniger Lösungskompetenz zutrauen.
"Das Vertrauen in staatliche Institutionen ist keine Selbstverständlichkeit – es muss durch eine Politik erhalten und gestärkt werden, die alle in Deutschland lebenden Menschen einbezieht. Wenn jedoch große Teile der Bevölkerung, insbesondere rassistisch markierte Menschen, systematisch ausgeschlossen und ihre Perspektiven in politischen Entscheidungsprozessen ignoriert werden, verliert die Demokratie an Bindungskraft. Daher muss es im Interesse der Politik sein, eine politische Kultur zu fördern, die das Vertrauen aller in Deutschland lebenden Menschen stärkt." Klara Podkowik, wissenschaftliche Mitarbeiterin des NaDiRa und Co-Autorin des Data.insight
"Die Ergebnisse zeigen deutlich: Gruppen, die 2022 noch vergleichsweise hohes Vertrauen in Politiker*innen hatten, haben dieses Vertrauen in den letzten zwei Jahren verloren. Besonders gravierend ist der Vertrauensverlust unter muslimischen Menschen. Das NaDiRa.panel ermöglicht uns wertvolle Einblicke in die unterschiedlichen Lebensrealitäten in Deutschland. Diese Daten sind entscheidend, um gesellschaftliche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und gezielt darauf zu reagieren. Ein anhaltender Vertrauensverlust innerhalb spezifischer Gruppen in Deutschland, wie etwa der muslimischen Menschen, kann zu gesellschaftlicher Fragmentierung und politischer Entfremdung führen – mit gravierenden Konsequenzen für die Stabilität und Zukunftsfähigkeit unserer Demokratie." Dr. Cihan Sinanoğlu, Leiter des NaDiRa
Den gesamten Bericht als Download finden Sie hier.