Rechtsextremismus in der Offensive, Engagierte unter Druck

Rechtsextremismus in der Offensive, Engagierte unter Druck

Quelle: Bundesverband Mobile Beratung

Wie hat sich die extreme Rechte 2024 entwickelt? Und was haben demokratisch Engagierte dagegen unternommen? In seinem Jahresrückblick zieht der Bundesverband Mobile Beratung Bilanz und zeigt: Die Demokratie ist bedroht wie lange nicht mehr.

Die extreme Rechte ist in der Offensive: Die AfD ist im Osten stärkste bzw. zweitstärkste Kraft, konnte auch im Westen ihren Einfluss ausbauen und fungiert als Triebkraft für die gesamte extreme Rechte. Ob Hetze gegen Minderheiten, Einschränkungen der Pressefreiheit oder mutmaßliche Verbindungen zum Rechtsterrorismus: Die Liste der Angriffe auf die Demokratie in 2024 ist lang. Es gibt neue Neonazi-Gruppen, die gewaltbereit auftreten, rassistische Parolen, die ihr Comeback im Mainstream feiern, und rechte Jugendliche, die ganze Schulklassen dominieren. Demokratische Parteien haben sich Forderungen der AfD zu eigen gemacht und rechtsextreme Diskurse in großen Schritten weiter normalisiert.

Die AfD ist zur parlamentarischen Säule eines großen antidemokratischen Netzwerks geworden, das die politische Landschaft umbauen will. Politiker*innen der AfD waren 2024 am rechtsextremen, inzwischen umbenannten „Institut für Staatspolitik“ zu Gast, sie haben Veranstaltungen für ihr "„politisches Vorfeld" organisiert und mit Neonazis die Vertreibung von Menschen mit Migrationsgeschichte geplant. An mehreren Orten sitzen Akteur*innen anderer extrem rechter Gruppen für die AfD im Stadtrat oder Kreistag.

Zivilgesellschaftliche Akteur*innen haben Gegenwehr geleistet: Sie sind für Demokratie auf die Straße gegangen und haben mit den Großprotesten Anfang des Jahres Hoffnung geweckt. Sie haben neue Bündnisse gegründet und mit Aufklärungsarbeit erreicht, dass die extreme Rechte mitunter weniger Spielraum hatte. Einige sehen den Rechtsruck als Ansporn, gerade jetzt Position zu beziehen.

Doch viele Menschen, die gegen Rechtsextremismus aktiv sind, fühlen sich entmutigt und von der Politik im Stich gelassen. Ihre Forderungen finden politisch kein Gehör, rechte Bedrohungen gehören für viele zum Alltag. Unzählige Engagierte sind in Angst: um ihre eigene Sicherheit und um die Demokratie. Das spiegelt sich auch in den Anfragen an die Mobile Beratung: Sie sind 2024 bundesweit deutlich gestiegen. In einigen Regionen übertraf die Zahl der Anfragen bereits im April die des gesamten Vorjahres.

Die Engagierten brauchen dringend mehr Unterstützung. Politik und Verwaltung, aber auch Medien und die breite Zivilgesellschaft müssen sich schützend vor alle stellen, die für demokratische Werte einstehen. Für die Bundesregierung heißt das unter anderem, endlich eine gesetzliche Grundlage für die Förderung der Opfer-, Ausstiegs- und Mobilen Beratung zu schaffen – damit die vielen mutigen Menschen auch in Zukunft Unterstützung haben. Damit die Demokratie 2025 nicht weiter erodiert.

"Viele demokratisch Engagierte sind resigniert und haben den Eindruck, aussichtslose Kämpfe zu führen. Sie brauchen dringend Ermutigung und spürbare Unterstützung aus der Politik – jetzt, vor der Bundestagswahl."
Dominik Schumacher, Vertreter des Bundesverbands Mobile Beratung

Dominik Schumacher, Vertreter des Bundesverbands Mobile Beratung:
"Für das Engagement gegen Rechtextremismus war 2024 ein turbulentes Jahr. Die Großproteste haben bei vielen Menschen die Hoffnung geweckt, dass sich endlich der Wind dreht, dass ihre Warnungen ernst genommen werden. Passiert ist leider das Gegenteil: Demokratische Politiker*innen haben sich einmal mehr einen Wettstreit geliefert um eine restriktive Migrations- und Asylpolitik. Das Denk-, Sag- und Machbare hat sich weit nach rechts verschoben. Viele demokratisch Engagierte sind resigniert und haben den Eindruck, aussichtslose Kämpfe zu führen. Sie brauchen dringend Ermutigung und spürbare Unterstützung aus der Politik – jetzt, vor der Bundestagswahl."

Prof. Dr. Oliver Decker, Sozialpsychologe und Leiter des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts für Demokratieforschung:
"Die autoritäre Aggression ist selbstverständlicher Teil der politischen Alltagskultur geworden, das zeigt auch unsere Leipziger Autoritarismus Studie 2024. Und wie die Mobile Beratung sehen wir, dass gerade unter jungen Erwachsenen und Jugendlichen Ressentiments immer akzeptierter werden. Rechtsextreme Bedrohungen nehmen zu und zielen darauf ab, Engagierte einzuschüchtern. Wer in der Zivilgesellschaft aktiv ist, kann die eigene Selbstwirksamkeit erleben. Das ist Rechten ein Dorn im Auge, sie profitieren von dem Gefühl politischer Abgehängtheit. Deswegen ist es umso wichtiger, zivilgesellschaftliche Organisationen und ihr Engagement zu stärken."

Sylvia Spehr, Engagierte im Bündnis „Nordhausen zusammen“ (Thüringen):
"Der Rückblick auf das ‚Superwahljahr 2024‘ in Thüringen ernüchtert. Die rechtsextreme AfD ist stärkste Kraft. Wir appellieren an alle demokratischen Entscheidungsträger, an Medien und die ’schweigende Mehrheit‘: Überlasst den Kampf gegen rechtsnationale Ideologien nicht allein ehrenamtlichen Bündnissen! Politiker*innen sind aufgefordert, Entscheidungen im Sinne der Demokratie und nicht für parteipolitischen Proporz oder persönliches Kräftemessen zu treffen. Medien sollten auch die zahlreichen Beispiele für gelungenes demokratisches Engagement zeigen. Mit der Bundestagswahl steht die nächste Herausforderung vor uns. Wir werden nicht leiser werden und am Ende wird die Demokratie stärker sein als ihre Feinde!"

Der vollständige Jahresrückblick mit dem Titel „Wie die AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke die Demokratie angreifen. Wo Gegenwehr wirkt“ ist hier abrufbar.

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Jennifer Pross
presse@bundesverband-mobile-beratung.de
0157 80588115