Ein gelungener Auftakt der Interkulturellen Woche in Rostock – Plädoyer für Vielfalt und friedliches Zusammenleben
Mit einem stimmungsvollen ökumenischen Gottesdienst und einem großen Einwohner*innenfest im IGA-Park in Rostock ist am 26. September die Interkulturelle Woche 2021 eröffnet worden.
"#offengeht – das ist nicht nur die Botschaft der Interkulturellen Woche. #offengeht ist auch eine Gottesbotschaft." Das sagte Weihbischof Horst Eberlein vom Erzbistum Hamburg in seiner Predigt. Und weiter: "Offenheit im Herz und im Geist hat dazu geführt, dass Deutschland zahlreichen Eingewanderten und ihren Nachkommen zur Heimat werden konnte. Ausgrenzung und Abschottung, Abwertung und Arroganz – wer Ressentiments schürt und die einen gegen die anderen ausspielt, hat die christliche Botschaft nicht verstanden." Erst Offenheit mache Gemeinschaft möglich, betonte Eberlein. "So ist das nicht nur bei uns Christen, sondern in allen Weltreligionen und sogar selbst bei Menschen guten Willens ohne Glauben an einen Gott."
"#offengeht – das ist nicht nur die Botschaft der Interkulturellen Woche. #offengeht ist auch eine Gottesbotschaft."
Der Gottesdienst wurde weiter liturgisch gestaltet von Tilman Jeremias, dem evangelischen Bischof für den Sprengel Mecklenburg und Pommern, dem griechisch-orthodoxen Erzpriester Radu Constantin Miron, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), sowie den beiden Rostocker Pastor*innen Melanie Dango und Wilifred Knees. Musikalisch begleitet wurde der Gottesdienst von der Band der Jugendkirche und dem Ökumenischen Bläserkreis Rostock, zwei Sängerinnen sowie Kantor Benjamin Jäger am Klavier.
Erzpriester Miron zitierte mit Blick auf das IKW-Motto #offengeht Ernst Jandl: "Manchmal kommt mir jemand entgegen und lächelt mir zu. Da weiß ich, dass ich voll Freude bin. Auf meinem Gesicht hat jemand ein Leuchten gesehen und hat selbst zu leuchten begonnen auf mich hin."
In den Fürbitten appellierten die Vortragenden unter anderem aus Anlass des Weltkindertages an die zukünftige Bundesregierung, die Rechte von Kindern in den Lagern für Geflüchtete ernst zu nehmen. Am Ende gab Bischof Jeremias den Teilnehmenden an diesem auch politisch wegweisenden Tag mit auf den Weg: "Im Sinne dieses Gottesdienstes: Machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch!"
"Das Thema ‚friedliches Zusammenleben‘ geht uns alle an, gerade wenn die Rechtspopulisten versuchen, uns zu spalten"
Direkt im Anschluss überbrachten Vertreter*innen weiterer Religionsgemeinschaften Grußbotschaften. "Das Thema ‚friedliches Zusammenleben‘ geht uns alle an, gerade wenn die Rechtspopulisten versuchen, uns zu spalten", sagte etwa Dr. Maher Fakhouri, der Vorsteher der islamischen Gemeinde in Rostock. Und die Vertreterin der Rostocker Bahá'í-Gemeinde betonte: "Wir alle können mit einem Herz voller Zuversicht eine gemeinsame Zukunft gestalten." Eine buddhistische Nonne stellte das neue Zentrum der Glaubensgemeinschaft vor, verbunden mit der Einladung zum Besuch und den Worten: "Das Zentrum ist ein gemeinsames Haus für alle."
Diesen Beitrag verband Bischof Jeremias mit dem Gedenken an die rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen vor 29 Jahren. Damals griffen rechtsextreme Randalierer die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter an. Als Reaktion auf den massiven Angriff wurden in Rostock nicht nur die "Multikulturellen Wochen" initiiert, noch 1992 gründete sich auch der Verein "Diên Hông – Gemeinsam unter einem Dach".
"Vorurteile, Diskriminierung und Ausgrenzung dürfen nicht hingenommen werden."
Damit wollten die in der Stadt lebenden Vietnamesinnen und Vietnamesen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und den Kontakt zu deutschen Einwohnerinnen und Einwohnern von Rostock suchen und gestalten. Mittlerweile engagieren sich bei Diên Hông Migrantinnen und Migranten verschiedener Herkunft wie auch Einheimische und gestalten Angebote, die sich an Zugewanderte und Einheimische richten. Dr. Vu Thanh Van vom Vorstand des Vereins wandte sich mit einem eindringlichen Appell an die Anwesenden: "Vorurteile, Diskriminierung und Ausgrenzung dürfen nicht hingenommen werden. In Rostock gibt es eine vielfältige Gesellschaft, und manche müssen noch lernen, das zu akzeptieren."
Unter dem Motto "#offen geht – Rostock ist bunt" eröffnete Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen anschließend das Einwohner*innenfest, das in diesem Jahr gemeinsam mit dem Weltkindertag im IGA-Park gefeiert wurde. In einer Talkrunde stellten sich Ruhe Madsen, Dr. Beate Sträter (Vorsitzende des Ökumenischen Vorbereitungsausschusses zur Interkulturellen Woche), Seyhmus Atay-Lichtermann (Vorsitzender des Migrantenrates Rostock) und Andrea Wehmer (Koordinatorin des Weltkindertagsfestes) den Fragen der Moderatoren Frank Melz und Wieland Wittmüß.
Ruhe Madsen freute sich, dass der bundesweite Auftakt der Interkulturellen Woche in diesem Jahr in Rostock stattfand. Er begrüßte die Entwicklungen der vergangenen 30 Jahre in Rostock auf dem Weg zu einem friedlichen Zusammenleben. 2Wir sitzen alle im selben Boot und müssen alle in die richtige Richtung rudern", so der Oberbürgermeister.
"Wir schotten unsere Grenzen ab, obwohl 2015 gezeigt hat, dass wir mit Offenheit Menschen aufnehmen können."
„Rostock hat es sich mehr als verdient, Austragungsort für den bundesweiten Auftakt zu sein. Vor allem, wenn man bedenkt, wie schnell es nach den Ausschreitungen in Lichtenhagen gelungen ist, dass interkulturelle Zusammenarbeit als Gegengewicht entstand“, sagte Sträter. Und zur aktuellen politischen Debatte über Geflüchtete kommentierte sie: "Wir schotten unsere Grenzen ab, obwohl 2015 gezeigt hat, dass wir mit Offenheit Menschen aufnehmen können."
Ein starkes Statement gab auch Atay-Lichtermann ab, der Ende der 1990er-Jahre als Geflüchteter nach Rostock kam und dort heimisch wurde: „Demokratie ist keine Einbahnstraße, sondern wir leben sie jeden Tag. Rostock ist bunt und wird immer bunter.“ Wehmer lenkte den Blick auf die Kinder: „Sie sind alle gleich – egal, aus welchem Land sie kommen und welche Hautfarbe sie haben.“
Zum Abschluss der Talkrunde stellten die Protagonist*innen das Motto der IKW und des Einwohner*innenfestes noch einmal heraus, indem Sie aus Luftballon-Buchstaben den Schriftzug #offengeht formten.
Anschließend hieß es "Bühne frei" für das bunte Festprogramm mit Beiträgen von zahlreichen Musik-, Sport- und Tanzgruppen. Außerdem konnten sich die Besucherinnen und Besucher an zahlreichen Ständen über Initiativen und Vereine der Rostocker Stadtgesellschaft informieren.