Webdossier: Flucht und Migration im digitalen Zeitalter

Auf der Flucht ist das Smartphone oft die einzige Möglichkeit, mit Familie und Freund:innen Kontakt zu halten.
Webdossier: Flucht und Migration im digitalen Zeitalter
Das Webdossier „Mit dem Smartphone auf der Flucht“ ermöglicht eine interaktive Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Grenzpolitik, Flucht und Migration

Was nehmen wir mit, wenn wir unsere Heimat verlassen? Egal, ob der Aufbruch überstürzt oder geplant erfolgt – ein Handy ist fast immer dabei. Das Webdossier "Mit dem Smartphone auf der Flucht" der Hilfsorganisation Brot für die Welt ermöglicht eine interaktive Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Grenzpolitik, Flucht und Migration. Anhand des Handys werden Stationen und Gefahren der Flucht für Jugendliche nachvollziehbar. Was heißt es, im digitalen Zeitalter auf der Flucht zu sein? Welche Chancen und Risiken birgt das Handy? Begleitend zu dem Web-Dossier ist ein Bildungsmaterial für Jugendliche ab 14 Jahren erschienen. Anhand des Handys werden die Flucht und ihre Gefahren für Jugendliche nachvollziehbar.

Auf der Flucht ist das Smartphone oft die einzige Möglichkeit, mit Familie und Freund:innen Kontakt zu halten. Dazu enthält es nützliche Adressen und Namen entlang der Reiseroute. Und die auf einem Smartphone gespeicherten Alben oder Apps enthalten Erinnerungen und wichtige Dokumente. Mit Internetzugang dienen Smartphones außerdem zur Informationsbeschaffung, Übersetzungshilfe oder für finanzielle Transaktionen. Das Smartphone ist zu einem beinahe unverzichtbaren Hilfsmittel für Menschen auf der Flucht geworden.

Gerade darum sind Smartphones von Migrant:innen und Geflüchteten auch ins Visier von Polizei-, Grenz- und Migrationsbehörden geraten. Signale von Mobiltelefonen werden auf hoher See oder an einer Landgrenze geortet, um die Menschen an der Einreise zu hindern oder zumindest polizeilich zu dokumentieren. Die Beschlagnahmung von Mobiltelefonen ist zur gängigen, höchst zweifelhaften Praxis von Grenzpolizei und Asylbehörden geworden. Auch in Deutschland. Polizei und Behörden lesen Daten aus und speichern diese, um mutmaßliche Schleuser:innen oder andere Helfende zu ermitteln, oder die Identität ihrer Besitzer:innen zu überprüfen. Dabei werden auch persönlich sensible Daten erfasst.

Gewalt und Überwachung

Noch schlechter dran sind Geflüchtete auf der Balkanroute zwischen Griechenland und Slowenien. Dort werden Smartphones durch Behörden oder maskierte Angehörige von Milizen oft grundlos zerstört, wie die Brot für die Welt-Partnerorganisation Border Violence Monitoring berichtet. Damit wollen die Grenztruppen dafür sorgen, selbst straflos zu bleiben. Denn ohne die Kameras ihrer Telefone können Geflüchtete die rechtswidrige und oft brutale Behandlung kaum dokumentieren und juristisch dagegen vorgehen.

Auch Menschen, die sich für Geflüchtete und Migrant:innen engagieren, werden in einigen Staaten über ihr Smartphone ausgeforscht. Polizei oder Geheimdienste dringen in die Geräte mit Trojanerprogrammen ein und verschaffen sich so Zugang zu allen darauf befindlichen Daten und Anwendungen. Das Telefon wird auf diese Weise zur Wanze in der Hosentasche. Bekannt wurde ein solcher Angriff etwa in einem Ermittlungsverfahren gegen Seenotretter:innen in Italien.

Fluch und Segen

Auch Menschenhändler:innen machen sich die Kommunikation per Smartphone zunutze. Sie verschicken per Messenger-Dienste Erpresservideos von gekidnappten Migrant:innen an Familienangehörige, um Lösegeld zu erpressen. Eine Brot für die Welt-Partnerorganisation (aus Sicherheitsgründen anonym) versucht seit Jahren, diese Netzwerke in Libyen offenzulegen. Gleichzeitig können Handys und Smartphones auch Leben retten: Flüchtende und Migrant:innen, die auf immer gefährlicheren Routen die Sahara durchqueren, können das Notruftelefon von Alarm Phone Sahara kontaktieren, einem nigrischen Brot für die Welt-Partner. 24 Stunden jeden Tag sind die Mitarbeitenden erreichbar, um Rettungsaktionen einzuleiten oder Vermisste zu suchen.

Militarisierte Migrationspolitik

Wie verändern sich Flucht und Migration im digitalen Zeitalter? Klar ist: Der starke Zugriff von Sicherheitsbehörden auf Handys erfolgt im Kontext einer zunehmenden Militarisierung von Migrationspolitik, die Migrant:innen als Sicherheitsrisiko definiert. Diese Perspektive prägt nicht nur die Politik an den europäischen oder nordamerikanischen Außengrenzen, sondern hat sich entlang der gesamten Flucht- und Migrationsrouten etabliert. Mit der zunehmenden Gewalt, die diese Entwicklung mit sich bringt, haben Flüchtende, Migrant:innen und Partnerorganisationen von Brot für die Welt gleichermaßen zu kämpfen.

Infos
Kontakt

Brot für die Welt
Team Bildungsangebote
E-Mail: bildung@brot-fuer-die-welt.de