Flüchtlingspolitik: PRO ASYL kritisiert Bundesregierung

Flüchtlingspolitik: PRO ASYL kritisiert Bundesregierung

Quelle: PRO ASYL

Die Bundesregierung stellt heute, 28. April, im Bundestag ihre Position zur europäischen Flüchtlingspolitik und den aktuell diskutierten Reformplänen vor. In den Medien bekannt gewordene Aspekte zeigen, dass die Bundesregierung sich gefährlich weit von den Grundsätzen ihres menschenrechtsbasierten Koalitionsvertrags entfernt. PRO ASYL regiert enttäuscht und entsetzt auf die rot-grün-gelbe Einigung. Damit rücken Grenzverfahren in Haftlagern an der EU-Grenze mit Ziel der Zurückweisung in nicht sichere Drittstaaten immer näher.

"Bei den Verhandlungen um die Zukunft des europäischen Asylsystems geht es auch um die Zukunft von Rechtstaatlichkeit und Menschenrechten in der EU. Dass die Bundesregierung sich von ihren starken Menschenrechtspositionen nun zunehmend verabschiedet, ist ein dramatisches Signal. Der Druck von rechtspopulistischen Strömungen in der EU zur Abschaffung des Zugangs zum Recht auf Asyl ist enorm. Von der Rechtsstaatspartei FDP, den für Flüchtlingsrechte eintretenden Grünen und einer sozialdemokratischen Partei, deren Mitglieder vor Jahrzehnten selbst verfolgt wurden, hätten wir dieses Umfallen nicht erwartet," kommentierte Karl Kopp, Leiter der Europa-Abteilung von PRO ASYL, bitter.

"Grenzverfahren sind der Kardinalsfehler der letzten Jahre."

Laut Medienberichten stimmt die Bundesregierung grundsätzlich der Einführung verpflichtender Grenzverfahren zu, will diese in ihrer Anwendung nur etwas mehr einschränken als bislang diskutiert. Hierzu gehört eine grundsätzliche Ausnahme von Kindern.

"Grenzverfahren sind der Kardinalsfehler der letzten Jahre, denn die Erfahrung zeigt, dass Verfahren an der Grenze zu humanitären Missständen, schlechten Verfahren und letztlich zu einer Verweigerung von Schutz führen.
Es ist auch fraglich, ob es in diesen Verfahren überhaupt noch um die Fluchtgründe geht oder nur noch darum, in welchen außereuropäischen Drittstaat die fliehenden Menschen geschickt werden können. Eine solche Zustimmung zu Grenzverfahren passt nicht zu dem Versprechen des Koalitionsvertrags, bessere Standards für Schutzsuchende in den Asylverfahren zu schaffen und das Leid an den Außengrenzen zu beenden", so Kopp.

Zu der Position der Bundesregierung gehört auch, dass es zwar einen verpflichtenden Solidaritätsmechanismus bezüglich der Zuständigkeit für Asylverfahren geben soll, gleichzeitig das Dublin-System aber verschärft werden soll.

"Die Bundesregierung droht, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen."

"Die Bundesregierung will das gescheiterte Dublin-System zusätzlich verschärfen. Schon jetzt führt das System nicht nur zu einer Überlastung der Außengrenzstaaten, sondern auch zu starken Verzögerungen beim Zugang zum Schutz. Die Verlängerung der Überstellungsfristen von sechs auf zwölf Monate hätte dramatische Auswirkungen für viele Schutzsuchende. Ob ein Solidaritätsmechanismus hier überhaupt ein effektives Korrektiv sein kann, ist höchst fraglich. Auch hier droht die Bundesregierung Fehler der Vergangenheit zu wiederholen", mahnt Kopp.

Im ersten Halbjahr 2023 wird im Europäischen Rat unter der schwedischen Präsidentschaft über für die Zukunft des Flüchtlingsschutzes in Europa besonders relevante Entwürfe diskutiert: die Asylverfahrensverordnung und die Asyl- und Migrationsmanagement-Verordnung. Bislang hatte die Bundesregierung zu entscheidenden Punkten wie den Grenzverfahren, der Anwendung von "sicheren Drittstaaten" und den künftigen Zuständigkeitsregeln keine geeinte Position. Bis zum nächsten Ratstreffen der EU-Innenminister*innen am 8. Juni 2023 müssen sich die Mitgliedstaaten auf Verhandlungspositionen einigen, um den Reformprozess bis zur Europawahl im Frühjahr 2024 abschließen zu können.

Aus dem Koalitionsvertrag 2021:

"Wir wollen die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen beenden."

"Wir wollen bessere Standards für Schutzsuchende in den Asylverfahren und bei der Integration in den EU-Staaten."

"Der Asylantrag von Menschen, die in der EU ankommen oder bereits hier sind, muss inhaltlich geprüft werden."

Weitere Informationen:
PRO ASYL hat in einem Kurzpositionspapier die wichtigsten menschenrechtlichen roten Linien für die Verhandlung benannt.

In der Sachverständigenanhörung im Bundestag zur europäischen Flüchtlingspolitik hat Wiebke Judith als rechtspolitische Sprecherin für PRO ASYL auf die Gefahren der Reform hingewiesen.

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