FRA: Antisemitismus weiterhin stark verbreitet in Europa

FRA: Antisemitismus weiterhin stark verbreitet in Europa

Quelle: EU-Agentur für Grundrechte (FRA) 

Jüdische Menschen sind in Europa mit Antisemitismus gefährlichen Ausmaßes konfrontiert

Antisemitismus ist in der EU weiterhin ein Problem – das bekommen Jüdinnen und Juden im Internet wie im wahren Leben zu spüren. Aufgrund von Sicherheitsbedenken und häufiger Belästigung sehen sich viele gezwungen, ihre jüdische Identität zu verbergen. Diese alarmierenden Erkenntnisse stammen aus der neusten Erhebung der EU-Agentur für Grundrechte (FRA). Die EU und einige ihrer Mitgliedstaaten haben Maßnahmen und Aktionspläne zur Bekämpfung von Antisemitismus eingeführt. Die EU-Länder müssen an diese Bemühungen anknüpfen, damit jüdische Menschen würdevoll, sicher und angstfrei leben können. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen des fortdauernden Konflikts im Nahen Osten auf die jüdischen Gemeinschaften in Europa ist dies besonders wichtig.

Die dritte Umfrage der FRA zu Diskriminierung und Hasskriminalität gegenüber Jüdinnen und Juden in der EU gibt Aufschluss über ihre Erfahrungen mit und Wahrnehmung von Antisemitismus und zeigt die Hindernisse auf, denen sie sich gegenübersehen, wenn sie offen ein jüdisches Leben führen wollen.

Die Erhebung wurde vor den Angriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 und der militärischen Reaktion Israels in Gaza durchgeführt. Der Bericht enthält jedoch Informationen zu Antisemitismus, die in jüngerer Zeit von 12 Organisationen der jüdischen Gemeinschaft erhoben wurden. Jüdische Menschen haben seit Oktober 2023 mehr antisemitische Vorfälle erleben müssen. Manche Organisationen melden einen Anstieg von über 400 %.

Die Erhebung zeichnet folgendes Bild:

Zunehmender Antisemitismus: 80 % der Befragten sind der Auffassung, dass der Antisemitismus in ihrem Land in den fünf Jahren vor der Erhebung gestiegen ist.

Hohes Maß an Antisemitismus im Internet: 90 % der Befragten waren im Jahr vor der Umfrage online mit Antisemitismus konfrontiert.

Antisemitismus in der Öffentlichkeit: Im Jahr vor der Erhebung wurden 56 % der Befragten offline von Bekannten mit Antisemitismus konfrontiert, und 51 % stießen in den Medien auf antisemitische Inhalte.

Belästigung: 37 % gaben an, im Jahr vor der Erhebung aufgrund ihrer jüdischen Identität belästigt worden zu sein. Die meisten von ihnen erfuhren mehrfach Belästigung. Antisemitische Belästigung und Gewalt finden meist auf Straßen, in Parks oder in Geschäften statt.

Sicherheitsbedenken: Die meisten Befragten machen sich nach wie vor Sorgen um ihre eigene Sicherheit (53 %) und die Sicherheit ihrer Familie (60 %). Forschungsarbeiten der FRA haben im Laufe der Jahre gezeigt, dass Antisemitismus in Zeiten von Spannungen im Nahen Osten tendenziell zunimmt. In dieser Umfrage gaben 75 % der Befragten an, dass sie für die Handlungen der israelischen Regierung verantwortlich gemacht werden, weil sie jüdisch sind.

Leben im Verborgenen: 76 % verbergen ihre jüdische Identität zumindest gelegentlich. 34 % meiden jüdische Veranstaltungen oder Orte, weil sie sich nicht sicher fühlen. Als Reaktion auf Online-Antisemitismus vermeiden 24 %, Inhalte zu veröffentlichen, die Rückschlüsse bezüglicher ihrer jüdischen Identität ermöglichen würden. 23 % gaben an, sich weniger aktiv an Diskussionen im Internet zu beteiligen, und 16 % schränkten ihre Nutzung bestimmter Plattformen, Websites oder Dienstleistungen ein.

Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben Maßnahmen zur Antisemitismusbekämpfung ergriffen, die zu einigen Fortschritten geführt haben. Dazu gehören die erste EU-Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und Aktionspläne in einigen EU-Ländern. In dem Bericht wird konkret aufgezeigt, wie sich an diese Fortschritte anknüpfen lässt:

Überwachung und angemessene Finanzierung von Strategien und Aktionsplänen gegen Antisemitismus: Hierzu gehört die Annahme von Aktionsplänen in jenen EU-Ländern, die diese noch nicht haben, sowie die Entwicklung von Indikatoren zur Überwachung der Fortschritte.

Gewährleistung der Sicherheit jüdischen Lebens: Die Länder müssen mehr in den Schutz der jüdischen Bevölkerung investieren und eng mit den betroffenen Gemeinschaften zusammenarbeiten.

Bekämpfung von Antisemitismus im Internet: Online-Plattformen müssen antisemitische Inhalte im Internet bekämpfen und entfernen, um dem EU-Gesetz über digitale Dienste zu entsprechen. Außerdem müssen sie illegale antisemitische Online-Inhalte besser untersuchen und den Strafverfolgungsbehörden melden.

Förderung der Anzeigebereitschaft und Verbesserung der Erfassung von Antisemitismus: Die nationalen Behörden sollten Jüdinnen und Juden verstärkt über ihre Rechte aufklären und sie ermutigen, antisemitische Vorfälle zu melden. Zugleich sollten die Behörden solche Vorfälle besser erfassen. Ein verstärktes Angebot von Möglichkeiten für anonyme Meldungen oder Meldungen über Dritte könnte helfen.

Die Erhebung umfasst Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden, Spanien, Tschechien und Ungarn und deckt somit rund 96 % der geschätzten jüdischen Bevölkerung in der EU ab. An der Online-Befragung, die von Januar bis Juni 2023 stattfand, nahmen nahezu 8 000 Jüdinnen und Juden ab 16 Jahren teil. Nach den Erhebungen der Jahre 2013 und 2018 ist dies die dritte Erhebung ihrer Art.

"Europa erlebt eine Welle des Antisemitismus, die teilweise durch den Konflikt im Nahen Osten angeheizt wird. Dadurch wird die Möglichkeit eines sicheren und würdevollen jüdischen Lebens stark eingeschränkt. Wir müssen an bestehende Gesetze und Strategien anknüpfen und jüdische Menschen vor allen Formen von Hass und Intoleranz zu schützen – im Internet wie im wahren Leben. In einer zunehmend polarisierten Gesellschaft müssen wir dringend die Botschaft der Toleranz verbreiten und die Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten aller Menschen gewährleisten." 
Sirpa Rautio, FRAU-Direktorin

 

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