Nach dem verheerenden Brand: Gebet für Moria

Gebet für Moria
Nach dem verheerenden Brand: Gebet für Moria

Sabine Dreßler ist als Oberkirchenrätin bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Menschenrechte, Migration und Integration zuständig. Außerdem ist sie Mitglied im Ökumenischen Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche. Nach dem verheerenden Brand im Lager Moria im September 2020 auf der griechischen Insel Lesbos hat sie ein Gebet für die Geflüchteten verfasst:

Ich bete für Moria.
Nein, nicht für Moria, dieses Gefängnis, den Nicht-Ort, draußen im Meer,
Ort unserer Schande.
Ich bete für die Menschen, eingesperrt, ausgesetzt, Dreck im Dreck.
Kinder wachsen dort auf, zwischen Plastikplanen und Gewalt:
So ist das Leben. Die Welt, in der sie nicht willkommen sind.
 
Gott, schütze Du, was wir nicht schützen wollen.
 
Ich bete für die, die sie dennoch lieben.
Ihre Mütter und Väter, wenn es sie noch gibt
und für die, die ihnen ein wenig Wärme geben
da draußen, in der der Kälte,
im Gestank der Verachtung.
 
Ich bete für die,
die in der Asche sitzen,
und für die, die bei ihnen geblieben sind,
jetzt, nach dem Feuer von Moria - diesem erbärmlichen Fanal
für unser Zusehen und Wegsehen, für das Nichts-Tun.
 
Ich bete für die,
die uns der Mühe nicht wert sind.
Und für die, die sich auch jetzt noch herausreden,
und schachern um Menschenleben.
Gott, mische Dich ein, in unsere Unmenschlichkeit, in unser Versagen.
Komm, Gott – lass nicht zu, dass dies das Ende ist.
Amen.

Text: Sabine Dreßler